Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
an.«
»Aber Sie haben keinerlei Dosen oder Flaschen gefunden, die darauf hindeuten, daß sich neben Lucas Smothers und Roseanne Hazlitt in letzter Zeit auch noch andere Menschen auf dem Picknickplatz aufgehalten haben?«
»Wenn nix da ist, kann ich nix finden. Die Penner lesen das Zeug sackweise auf. Vielleicht hätt ich n paar benutzte Pariser mit reinstecken sollen.«
Die Zuschauer und einige Geschworene lachten, bis die Richterin sie mit einem lauten Hammerschlag zum Schweigen brachte. »Lassen Sie das, Sheriff, und zwar schleunigst«, sagte sie.
»Sheriff, warum hat die Anklagevertretung Ihrer Meinung nach nicht auf die Beweismittel zurückgegriffen, die Sie in diesen Plastiksack gepackt haben?« fragte ich.
»Einspruch, das führt zu reiner Spekulation«, sagte Marvin.
»Abgelehnt. Beantworten Sie die Frage, Sheriff Roberts«, sagte die Richterin.
»Woher verflucht noch mal soll ich das wissen?« erwiderte er.
Nach einer zehnminütigen Unterbrechung rief ich Mary Beth in den Zeugenstand. Die Fenster waren halb hochgeschoben; draußen tropfte der Regen von den Bäumen, und feiner Dunst trieb durch das Fliegengitter. Mary Beth war nur leicht geschminkt und saß aufrecht, mit gefalteten Händen, auf dem Zeugenstuhl.
»Saßen Sie in dem zweiten Streifenwagen, der auf dem Picknickplatz eintraf?« fragte ich.
»Ja, ganz recht.«
»Haben Sie gesehen, wie Hugo Roberts auf dem Gelände rund um Lucas Smothers’ Pickup etliche Flaschen und Dosen aufgelesen hat?«
»Ja, Sir.«
»Wie viele Dosen und Flaschen hat er Ihrer Ansicht nach eingesammelt?«
»Etwa zwei Dutzend«, erwiderte Mary Beth.
»Einspruch, Euer Ehren. Das ist unerheblich. Die Sache mit den Bierdosen ist ein Ablenkungsmanöver. Selbst wenn man andere Dosen oder Flaschen mit Tausenden von Fingerabdrücken fände, wäre das noch lange kein Beweis dafür, daß sich zum Zeitpunkt der Tat jemand anders dort aufhielt«, sagte Marvin.
»Ich wollte lediglich darauf verweisen, daß Hugo Roberts und andere entlastendes Beweismaterial entweder verschlampt oder absichtlich vernichtet haben«, erwiderte ich.
»Treten Sie vor«, sagte die Richterin. Sie stützte sich auf die Unterarme, deckte mit der Hand das Mikrofon ab und beugte sich nach vorn. »Was geht hier vor, Mister Pomroy?«
»Gar nichts, Euer Ehren. Das ist es ja. Mister Holland versucht lediglich, die Geschworenen abzulenken und zu verwirren.«
»Wenn Beweismaterial, ob verwertbar oder nicht, vernichtet wird, deutet das auf ein abgekartertes Spiel hin, Euer Ehren«, sagte ich.
»Was für eine Erklärung haben Sie dafür, Mister Pomroy?« fragte sie.
»Inkompetentes Verhalten von Mitarbeitern der Sheriffdienststelle läßt sich nie ganz ausschließen«, erwiderte er.
»Das genügt nicht, Sir. Sie sind zu gut, als daß Sie sich von ein paar tumben Bauernburschen an der Nase herumführen lassen. Stellen Sie sich nicht so an. Und im übrigen ist die Sache noch nicht ausgestanden. Wir sprechen uns später im Richterzimmer ... Treten Sie zurück«, sagte sie.
Ein Hoch auf Stonewall Judy, dachte ich.
Danach nahm Marvin Mary Beth ins Kreuzverhör.
»Wer ist Ihr Dienstherr, Miss Sweeney?« fragte er.
»Die Drug Enforcement Administration.«
»Die DEA also?«
»Ja.«
»Standen Sie auch in Diensten der DEA, als Sie in diesem Bezirk als Deputy Sheriff tätig waren?«
»Ja.«
»Haben Sie das jemandem mitgeteilt?«
»Nein.«
»Haben Sie falsche Angaben gemacht, als Sie sich bei der hiesigen Polizeidienststelle beworben haben?«
»Genaugenommen ja.«
»Genaugenommen? Sie sind also, mit anderen Worten, als Spitzel hierhergekommen, als eine Art Informantin in Diensten der Bundesregierung, und haben hinsichtlich Ihrer Tätigkeit falsche Angaben gemacht. Sie haben also gelogen. Aber jetzt lügen Sie uns nicht an? Ist das korrekt?« fragte Marvin.
»Euer Ehren«, sagte ich.
»Mister Pomroy«, sagte sie.
»Ich habe keine weiteren Fragen an die Zeugin«, sagte er.
Temple Carrol reichte mir vom Zuschauerraum aus eine Nachricht. Garland Moon ist in deiner Kanzlei und läßt sich nicht abwimmeln. Soll ich die Polizei rufen? stand darauf.
Stonewall Judy unterbrach die Sitzung für zwanzig Minuten, und ich zog mir einen Regenmantel über den Kopf, ging über die Straße und stieg die Treppe zu meiner Kanzlei hinauf. Moon saß im Vorzimmer. Er trug ein graues, weit ausgeschnittenes Bodybuilderhemd, auf dem VENICE BEACH, CALIFORNIA stand, dazu Turnschuhe und graue Jogginghosen mit roten
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