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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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gemeint sei, wer diese Leute seien, die ihr zuvor schon etwas zuleide getan hätten. Ist das richtig?«
    »Einspruch; die Verteidigung stellt hier Behauptungen an. Die Zeugin hat bereits erklärt, daß sie sich nicht mehr erinnern kann«, sagte Marvin.
    »Worauf wollen Sie hinaus, Mister Holland?« fragte die Richterin.
    »Die Zeugin hegt offensichtlich eine tiefe Abneigung gegen Lucas Smothers. In einem Gespräch, das ich mit ihr geführt habe, hat sie indes angedeutet, daß ihrer Nichte von anderer Seite etwas zuleide getan worden sei, nicht von Lucas Smothers.«
    »Es gibt keinerlei Beweis dafür, daß dieses Gespräch stattgefunden hat. Mister Holland legt der Zeugin Worte in den Mund und verlangt dann dazu eine Stellungnahme von ihr. Das ist absurd«, sagte Marvin.
    »Sie sind ab jetzt an der kurzen Leine, Mister Holland«, sagte die Richterin.
    »Miss Hazlitt, haben Sie mir nicht erzählt, daß es andere Menschen waren, die Roseanne etwas zuleide getan haben, nicht Lucas Smothers?«
    »Einspruch, Euer Ehren, Er macht es schon wieder«, sagte Marvin.
    »Stattgegeben. Letzte Warnung, Herr Rechtsanwalt«, sagte die Richterin.
    »Entschuldigung, Euer Ehren. Ich formuliere die Frage anders. Miss Hazlitt, haben Sie mir gegenüber angedeutet, daß Roseanne früher schon von jemand anderem übel mitgespielt wurde?« sagte ich.
    »Daran kann ich mich nicht erinnern«, erwiderte die Tante.
    »Sie haben ihre Männerbekanntschaften mir gegenüber also nicht als ›ein Rudel Hunde‹ bezeichnet, ›die einmal Witterung aufgenommen haben‹?«
    Marvin war schon wieder aufgesprungen, doch die Richterin nahm ihm das Wort aus dem Mund.
    »Das reicht. Treten Sie beide vor«, sagte sie. Sie beugte sich nach vorn und legte die Hand über das Mikrofon. »Ihr zwei geht mir allmählich auf den Geist, Sie vor allem, Mister Holland. Wir führen hier nicht den Prozeß des Jahrhunderts. Wenn Sie nicht miteinander klarkommen, dann bereinigen Sie das gefälligst draußen. Und Sie, Mister Holland, sind hier nicht beim Film, also unterlassen Sie dieses theatralische Getue. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    In der Mittagspause gingen Lucas, Temple und ich zu dem mexikanischen Lebensmittelladen auf der anderen Seite des Platzes, bestellten uns hinten in dem kleinen Café etwas zu essen und nahmen es in meine Kanzlei mit. Vernon Smothers stieß auf dem Gehsteig zu uns. Er hatte eine Krawatte umgebunden, trug ein Sakko und ein weißes Hemd, und sein Gesicht glänzte vor Schweiß.
    »Was geht da vor? Wann läßt du endlich die verfluchten Deputies antanzen, die Beweismittel vernichtet haben?« fragte er.
    »Wir unterhalten uns später drüber, Vernon«, erwiderte ich.
    »Hier geht’s immerhin um meinen Sohn. Soll ich mir etwa abends in den Nachrichten anschaun, wie der Prozeß gelaufen is?«
    Ich warf Temple einen Blick zu. Sie nahm Lucas am Arm, ging mit ihm ins Foyer und führte ihn die Treppe hoch.
    »Ich kann die Polizistin, die ich dazu brauche, nicht erreichen. Warum? Weil ich nicht weiß, wo sie ist. Und warum ist das so? Weil sie im Skeet-Club zwei Männer erschossen hat. Soll ich weitermachen?« fragte ich.
    Ich war auf einen Wutanfall gefaßt, wie immer, wenn Vernon sich etwas anhören mußte, das ihm nicht paßte. Doch er überraschte mich. Er schloß die Augen und rieb sich die Stirn.
    »Ich hab’s wieder vermurkst, stimmt’s? Ich hätt auf dich hören und die Sache auf sich beruhn lassen sollen. Es is bloß so, daß ich mir manchmal von andern nicht gern was sagen lasse«, sagte er.
    »Du hast das getan, was du für richtig gehalten hast. Es ist nicht deine Schuld, Vernon.«
    Er schaute mich unsicher an, so als ob ich in einer fremden Sprache mit ihm redete.
    Ich stand oben am Fenster und schaute auf den Platz vor dem Gerichtsgebäude, zu den eingestaubten Bäumen und der in der Hitze flimmernden Luft über den Gehsteigen. Lucas saß im Oberhemd neben meinem Schreibtisch, hatte die Ärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt und aß ein Taco.
    »Miss Hazlitts Aussage stellt uns vor ein kleines Problem«, sagte ich zu ihm.
    »Weil sie gesagt hat, daß Roseanne der Meinung war, ich hätte sie geschwängert?«
    »Ja, unter anderem.«
    »Aber die Autopsie hat doch ergeben, daß sie nicht schwanger war«, sagte er.
    »Die Geschworenen haben gerade gehört, daß jemand, der einem Mord zum Opfer fiel, nur mit einer Person sexuellen Kontakt hatte – mit dir. Fünf dieser Geschworenen sind über sechzig Jahre alt. Ältere Menschen

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