Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
wir sind wieder in Texas, Kumpel.«
8
Am Montag ging ich früh um halb sechs zum einzigen Fitneßstudio von Deaf Smith, das sich eine Querstraße vom Rathausplatz entfernt in einem ehemaligen Ramschladen befand und in dem ich dreimal die Woche tranierte. Ich stemmte im Hantelraum Gewichte, übte dann auf den Drückbänken und an den Nautilus-Geräten und wollte mich gerade ins Dampfbad begeben, als ich Mary Beth Sweeney auf einem StairMaster sah, der am Ende eines Ganges stand. Ihr Baumwolloberteil war schweißnaß, das Gesicht rot und erhitzt von den Übungen am Gerät. Die lockigen Haare klebten ihr in dicken Strähnen an der Wange.
»Guten Morgen«, sagte ich.
»Wie geht’s Ihnen, Mister Holland?« fragte sie.
»Niemand nennt mich Mister Holland ... Lassen wir’s ... Das war ziemlich eindrucksvoll gestern abend. Der Typ in dem Schweißereilaster kann sich bei Ihnen bedanken.«
»Sie haben doch auch angehalten, nicht wahr?«
»Haben Sie Lust, heute abend ins Kino zu gehen?« fragte ich.
»Wieso belästigen Sie mich ständig?«
»Sie sind eine hübsche Frau.«
»Sie haben vielleicht Nerven.«
Ich ließ den Saum meines Handtuchs auf den Fuß des StairMasters baumeln. »Adios«, sagte ich.
Eine halbe Stunde später ging ich hinaus in den kühlen, blauen Morgen. Die Mimosenbäume auf den Gehsteigen wiegten sich im Schatten der Häuser im Wind. Mary Beth Sweeney, die wieder in Uniform war, wollte gerade in ihren Wagen steigen. Sie hörte mich hinter sich, warf ihre Segeltuchtasche mit dem Turnzeug auf den Beifahrersitz und drehte sich um.
»Ich bin nach wie vor von Ihnen begeistert. Trotzdem entschuldige ich mich für den Annäherungsversuch. Ich werde Sie nicht wieder belästigen«, sagte ich und ließ sie stehen.
Ich ging die Straße entlang zu meinem Wagen, blieb vor dem Pfandleihhaus stehen und betrachtete die auf einem grünen Samttuch ausgelegten Angebote im Schaufenster: Messingschlagringe, Stilette, Rasiermesser, Totschläger, Handschellen, Derringer, ein 38er Special mit Kerben in den Griffschalen, ein 45er Army-Colt aus dem Jahr 1911, ein schwarzblauer Revolver mit Elfenbeingriff, der ein Nachbau von L. Q. Navarros Waffe hätte sein können.
Ich hatte mit einemmal das Gefühl, daß jemand hinter mir war. Es war, als ziehe mir jemand ein Stück Eis zwischen den Schulterblättern über den Rücken. Ich drehte mich um und sah ‹ Garland T. Moon, der mich von der Tür einer Bar aus beobachtete und die Gummierung einer selbstgedrehten Zigarette anleckte. Er trug einen cremefarbenen Anzug, aber kein Hemd, und ein Paar schwarze Arbeitsschuhe, wie sie an Häftlinge ausgegeben werden, mit flachen Sohlen, ledernen Schnürsenkeln und Hakenösen.
Ich ging zu der Bar zurück.
»Ein bißchen früh für eine Sauftour, was?« sagte ich.
»Ich trinke nicht. Hab ich noch nie gemacht.«
»Verfolgen Sie mich etwa?«
Er zündete die Zigarette an, stützte einen Fuß an die Wand und inhalierte den Rauch. Er ließ das Papierstreichholz vom Wind davontragen.
»Ich denk nicht mal dran, Sir«, sagte er.
Ich ging weiter. Die drei Zentner schwere Schwarze, der das Pfandleihhaus gehörte, öffnete gerade ihren Laden. Sie sah, wie ich einen Blick ins Schaufenster warf.
»Wird Zeit, daß du mal n bißchen Pulver auf die Pfanne bringst, Baby«, sagte sie. Sie zwinkerte und klopfte mit ihrem Ring an die Glasscheibe. »Nicht meinetwegen, Schätzchen. Aber vorstellen tu ich’s mir trotzdem gern.«
Mittags setzte ich mich mit einem Schinkensandwich und einem Glas Milch auf die Veranda. Hinter der Scheune sah ich Pete auf dem Damm sitzen, der den Weiher umgab.
Er hörte mich kommen, drehte sich aber nicht um. »Warum bist du nicht in der Schule, mein Guter?« fragte ich.
»Weil ich daheim geblieben bin«, sagte er und schaute aufs Wasser. Dann sah ich die blaue Beule und die Abschürfung neben seinem Auge. »Wer hat dich so zugerichtet?« fragte ich.
»Ein Mann, den meine Mutter gestern abend mit nach Hause gebracht hat.« Er zupfte an seinen Fingern und warf einen Stein in den Weiher. Dann schmiß er einen zweiten hinterher.
Ich setzte mich neben ihn.
»Ist mit deiner Mom alles in Ordnung?« fragte ich.
»Die is noch nicht auf. Und gut geht’s ihr heut bestimmt nicht mehr.«
»Wo kann ich diesen Kerl finden?« fragte ich.
Wir gingen in die Scheune, wo ich L.Q.s Radsporen anschnallte und meinen Morgan sattelte. Ich holte ein schweres, aufgerolltes Rodeoseil aus einem Holzfaß und hängte es an den Sattelknauf.
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