Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
Es war gut anderthalb Zentimeter dick und hatte vorne eine ovale, mit feinem Draht umwickelte Öse.
»Was hast du vor, Billy Bob?« fragte Pete.
»Der Mann, dem diese mexikanischen Sporen gehört haben, hat immer gesagt: ›Manchmal muß man den Leuten den Kopf zurechtrücken.›»
Ich beugte mich hinunter und zog ihn auf die Kruppe des Morgan.
»Was heißt das?« fragte Pete.
Wir ritten querfeldein durch das Land hinter meiner Farm, durchquerten den Bach und stiegen den mit Kiefern bestandenen Hang hinauf. Der Boden war feucht und mit Sonnenflecken gesprenkelt, und vor uns sah ich die schlichte Kirche, in der Pete und ich immer zur Messe gingen, die stillgelegte Tankstelle an der unbefestigten Straße und ein Stück weiter vorn eine Taverne aus blanken, ungestrichenen Holzbrettern, mit einem Schindeldach über der Veranda und Petunienkästen an den Fenstern.
Ich zügelte den Morgan vor dem Fenster an der Seite.
»Siehst du ihn?« fragte ich.
»Der da drüben am Pooltisch. Der, der den Pappteller mit Chilibohnen vor sich stehen hat.«
»Du gehst jetzt zum Cafe zurück und wartest dort auf mich.«
»Vielleicht solltest du das lieber lassen, Billy Bob. Mein Auge tut gar nicht mehr weh.«
»Hast du schon zu Mittag gegessen?«
»Er hat ein Schnappmesser in der rechten Hosentasche. Ich hab’s gesehen, als er ...«
»Als er was?«
»Als er seine Hose bei meiner Mutter an den Bettpfosten gehängt hat.«
Ich drückte Pete fünf Dollar in die Hand. »Bestell dir einen Hamburger und einen Becher Pfirsicheis. Ich komme gleich nach.«
Pete rutschte von der Kruppe des Morgan und ging die Straße entlang, auf das Cafe zu, drehte sich dann noch einmal um. Die Beule an seinem Auge leuchtete rot wie ein Furunkel.
Ich nahm das aufgerollte Seil vom Sattelknopf, löste die Halteschnur, mit der es zusammengebunden war, ließ es durch die Hände gleiten und fädelte das untere Ende durch die Öse am oberen. Dann faßte ich die Schlinge, legte das Seil einmal halb zusammen, ergriff das herunterhängende Ende und ritt, tief über die Mähne meines Morgan geduckt, auf die Veranda und durch die Tür.
Die Taverne war mit hellem, lackiertem Kiefernholz getäfelt, in dem sich das Licht spiegelte. Über der Bar, zwischen der Neonreklame für Pearl- und Lone-Star-Bier, hing die texanische Flagge.
»Du hast doch hoffentlich Besen und Schaufel mitgebracht«, rief der Barkeeper.
Ich ritt mit dem Morgan zwischen den Tischen und Stühlen hindurch, über die kleine Tanzfläche hinweg auf den Pooltisch zu. Der Mann, der einen Pappteller vor sich stehen hatte und gerade einen Löffel Chilibohnen zum Mund führen wollte, schaute lächelnd zu mir auf. Er hatte einen ordentlich gestutzten blonden Bart, trug eine Kette aus Haifischzähnen um den Hals und hatte eine blaue Lederweste, schwarze Jeans und silberne Stiefel an, die mit Metallkappen beschlagen waren.
Ich ließ das Lasso dreimal über dem Kopf kreisen und warf es dann auf den Mann mit dem blonden Bart. Die Schlinge fiel mit einem satten Klatschen über seinen Kopf, blieb unter der einen Achsel hängen und zog sieh um Oberkörper und Schulter zusammen. Er stand auf, versuchte sich zu befreien, aber ich wand das Seil um den Sattelknopf, gab dem Morgan die Sporen und zog ihn nach links herum, brachte den Mann zu Fall und schleifte ihn hinter mir her, zwischen den Tischen, den Stühlen und umkippenden Hockern hindurch, scherte mich nicht darum, ob er an die Eichenpfosten krachte, an die Beine des Flipperautomaten oder an die Jukebox, von der ein Stück Plastikverkleidung abplatzte. Dann duckte ich mich tief in den Sattel, lenkte den Morgan hinaus auf die Straße und gab ihm wieder die Sporen.
Ich schleifte den Mann quer über den Parkplatz, über die plattgedrücken Bierdosen und die Flaschendeckel hinweg, die am Boden festgetreten waren. Seine Kleidung war jetzt staubgrau, das Gesicht blutig und zerschrammt. Er hatte beide Hände um das Seil geschlungen und versuchte die Schlinge zu lösen, die ihm die Brust einschnürte.
Ich zügelte den Morgan und ließ ihn gemächlich im Kreis gehen, damit sich der Mann wieder aufrappeln konnte.
»Wissen Sie, womit Sie sich das eingehandelt haben?« fragte ich.
»Was –« setzte er an.
»Drehen Sie sich um und erklären Sie den Leuten, warum Sie ein Kind geschlagen haben«, sagte ich.
Er wischte sich das Blut von der Nase.
»Seine Mutter hat mir gesagt, daß es jemand gibt, der ihr an die Wäsche will«, sagte er.
Ich schwang mich aus
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