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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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meine Uhr. Draußen hatte es angefangen zu regnen, und über den Hügeln hing ein kalter grüner Lichtschein, wie oxydiertes Messing. »Ich lade dich zu einer Grillplatte im Shorty’s ein«, sagte ich und legte die Polaroidaufnahme von Darl Vanzandt vor sie hin.
    Wir saßen auf der mit Fliegengitter umgebenen Veranda und aßen Krautsalat mit Mayonnaise, pürierte Bohnen und Hühnchen, das auf einem Mesquitefeuer gegrillt war. Regentropfen fielen auf den Fluß, der unter den Pfählen hindurchströmte, und die Baume am Ufer waren dunstverhangen. Ein Stück flußabwärts schaukelten ein paar Jungs mit einem Autoreifen, der an einem Seil festgebunden war, weit aufs Wasser hinaus und ließen sich dann in die Fluten fallen.
    Ich hörte, wie draußen Bierdosen schepperten.
    »Das ist ein alter Fuchs, Temple«, sagte ich. »Wir müssen zusehen, daß wir ihn bei Laune halten.«
    »Ich schau bloß zu. Vielleicht lern ich noch was dabei«, sagte sie.
    Wir gingen durch die Seitentür zu einem Holzschuppen, über den eine an schiefen Stangen befestigte Plane gespannt war. Der alte Schwarze, mit dem wir uns in dieser Woche schon einmal unterhalten hatten, schleppte gerade zwei schwere Plastiksäcke voller Bierdosen hinein. Als er uns sah, holte er eine kurze Tabakspfeife aus der Brusttasche seines Hemds und kratzte mit einem Federmesser den Kopf aus.
    »Mein Gedächtnis is noch genauso schlecht wie neulich. Muß am Alter liegen. Vielleicht laß ich mich auch nicht gern anstänkern.« Er deutete mit dem Pfeifenstiel auf Temple.
    »Ich habe das Gefühl, daß Ihnen die Arbeit hier keinen Spaß macht«, sagte ich.
    »Die Arbeit is bestens. Was die Leute hier treiben, steht auf einem andern Blatt.«
    Ich hielt ihm das Polaroidfoto von Darl Vanzandt hin. Er steckte seine Pfeife in einen ledernen Tabaksbeutel und stopfte sie mit dem Daumen.
    »Ist das der Junge, dem Roseanne Hazlitt eine Ohrfeige gegeben hat?« fragte ich.
    Er riß ein Streichholz an, hielt es in der hohlen Hand über den Pfeifenkopf und blies den Rauch hinaus in den Regen. Er warf das Streichholz in eine Pfütze und sah zu, wie es ausging.
    »Gehen Sie zur Kirche?« fragte ich.
    »Meine Frau und ich gehörn einer Kirchengemeinde in der Stadt an. Wenn Sie darauf rauswolln.«
    »Das Mädchen ist grausam zu Tode gekommen«, sagte ich.
    Er tippte mit dem Fingernagel auf das Polaroidbild.
    »Das is nicht der, dem sie eine geknallt hat«, sagte er. Er ließ einen Moment lang den Blick auf mir verweilen, dann schaute er wieder hinaus in den Regen.
    »Aber er war dabei?« fragte ich.
    »Ein Junge wie der kann mit keinem andern was anfangen, weil er mit sich selber nix anfangen kann, Wo soll er denn sonst hin? Kommen Sie heut abend wieder her, dann isser bestimmt da, beleidigt die Leute, brüllt am Tanzboden rum, speit draußen in die Büsche. Der is nicht zu übersehn.«
    »War er an dem Abend, an dem man sie überfallen hat, hier?«
    »Was soll denn das ganze Gelaber? Wissen Sie, was Sie mich noch nicht gefracht ham? Mit wem das arme Mädel weggegangen is. Mit Lucas Smothers nämlich. Das hab ich gesehn.« Er deutete auf seinen Augenwinkel. »Ihr denkt immer, wenn ihr den richtigen Nigger findet, erfahrt ihr das, was ihr hören wollt.«
    Ich spürte Temples Blick, als wir wieder im Auto saßen. Sie strich mir mit dem Finger über den Arm.
    »Lucas ist es nicht gewesen, Billy Bob«, sagte sie.
    Auf dem Heimweg wurden Temple und ich Zeugen eines merkwürdigen Vorfalls, der eher noch mehr Fragen aufwarf, zu denen mir nichts Gescheites einfiel.
    Es hatte aufgehört zu regnen, aber der Himmel hing voller schwarzer Wolken, und Dunst stieg vom Fluß auf und waberte an den Hängen der niedrigen Hügel entlang der zweispurigen Straße. Etwa eine viertel Meile vor uns fuhr ein Pritschenwagen, hinter dessen Führerhaus ein Schweißapparat samt Glasflaschen angebracht war, in Schlangenlinien den gelben Mittelstreifen entlang.
    Ein Streifenwagen, der unter einer Brücke auf der Lauer gelegen hatte – mit hochgeklapptem Kofferraumdeckel, damit man das Blaulicht nicht sah –, drängte den Laster an den Straßenrand, worauf zwei Deputies in Uniform ausstiegen und ihre Schlagstöcke in die Gürtelschlaufen schoben.
    Normalerweise war so etwas reine Routine – eine Festnahme wegen Trunkenheit am Steuer. Diesmal nicht. Der Fahrer, der speckige Khakihosen und ein fleckiges weißes T-Shirt trug und dessen Gesicht vom Alkohol rot und verquollen war, fiel aus dem Führerhaus und verlor seinen

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