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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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auflegen. »Eins interessiert mich noch«, sagte ich dann. »Bloß aus Neugier. Aber könnten Sie vielleicht feststellen, ob in Ihrem Computer auch ein Mann namens Garland T. Moon erfaßt ist?«
    »Moment. Mal sehen. Wann soll er für uns tätig gewesen sein?«
    »Mitte der fünfziger Jahre.«
    Ich hörte, wie sie etwas in einen Computer eintippte, dann nahm sie den Hörer wieder zur Hand.
    »Ja, wir haben einen G. T. Moon in unseren Unterlagen. Aber nicht während der fünfziger Jahre. Er hat 1965 als Schweißer an einer Erdgaspipeline drunten an der Matagorda Bay gearbeitet. Ist das der Mann, den Sie meinen?... Hallo?«
    Ich habe keine Ahnung, ob ich ihr geantwortet habe oder nicht. Ich weiß nur noch, daß ich den Hörer auflegte, daß meine Hand einen fetten Schweißabdruck auf dem Plastik hinterließ, daß sich mein ganzes Gesicht zusammenkrampfte.
    Mein Vater war 1965 an der Matagorda Bay in die Luft geflogen, als er ein leckes Verbindungsstück an einer Pipeline geschweißt hatte.

27
    Ich ging zu dem einstöckigen Sandsteinbau auf der anderen Straßenseite, in dem jetzt der neue Sheriff seines Amtes waltete. Hugo Roberts hockte in seinem verqualmten Büro und hatte einen Fuß auf dem Schreibtisch liegen.
    »Sie wollen die Akte von Garland T. Moon? Hat Marvin Pomroy die nicht?« fragte er.
    »Sie ist wieder ins Archiv gewandert.«
    »Für was wollen Sie die?«
    »Reine Neugier. Ich dachte, Sie wären vielleicht auch dran interessiert. Immerhin hat er womöglich Ihren Vorgänger umgebracht.«
    Er nahm den Fuß vom Schreibtisch.
    »Verdammt noch mal, Billy Bob, jedesmal wenn ich mit Ihnen rede, komm ich mir vor wie ein Hund, der die Schnauze in einen Stachelschweinbau steckt.« Er griff zum Telefon und wählte einen Hausanschluß. »Sag Cleo, er soll seinen Schwanz in Ruhe lassen und mir die Akte Garland Moon bringen«, sagte er. Er legte wieder auf und lächelte. »Moment, ich muß mal schiffen.«
    Er ging in eine kleine Toilette und pinkelte bei offener Tür ins Becken.
    »Sie meinen, Moon hat den Sheriff ermordet, was?« sagte er.
    »Ich würde drauf wetten.«
    Er wusch sich die Hände, kämmte sich vor dem Spiegel die Haare und kam wieder heraus. »Und wie kommen sie zu dieser großen Erkenntnis, nachdem da sonst noch keiner draufgekommen ist?«
    »Weil Sie sich keinerlei Gedanken darüber machen, wer es gewesen sein könnte.«
    »Wie bitte?«
    »Der Sheriff hat die Hand aufgehalten. Normalerweise übernimmt das der Amtsnachfolger, jedenfalls in diesem Bezirk. Wenn der Sheriff von den Typen ermordet worden wäre, bei denen er abkassiert hat, würden Sie wie auf Eiern gehen, Hugo. Tun Sie aber nicht.«
    Ein Deputy öffnete die Tür und streckte den Kopf herein. »Sie wollten die Akte über Moon?« sagte er.
    »Geben Sie sie dem Rechtsanwalt hier«, erwiderte Hugo. »Billy Bob, Sie können sie doch auch draußen lesen, oder? An dem Tisch unter den Bäumen ist es ganz nett. Bringen Sie sie hinterher wieder zu Cleo.«
    Ich nahm den braunen Briefumschlag entgegen und wollte hinter dem Deputy hinausgehen. Hugo riß ein Streichholz ab und zündete sich in der hohlen Hand eine Zigarette an. »Das is die letzte Warnung, mein Sohn. Kommen Sie mir nicht mehr mit Ihrem Scheiß daher.«
    Ich setzte mich unter eine Eiche, in der es von Spottdrosseln nur so wimmelte, und ging die lange und düstere Geschichte des Garland T. Moon durch. Allein in Texas hatte er insgesamt fünf Jahrzehnte lang eingesessen. Seine Hafterfahrung begann zu einer Zeit, als man Sträflinge noch in Gefängnisfarmen verwahrte, so wie einst den Revolverhelden John Wesley Hardin, Buck und Clyde Barrow und den Bluesgitarristen Huddie Ledbetter. In Hollywoodfilmen wurden immer die Haftbedingungen in Georgia, wo die Sträflinge in Ketten zum Arbeitsdienst antreten mußten, als besonders streng dargestellt. Doch unter Knastveteranen galt Arkansas als das Maß aller Dinge, denn dort mußten die Sträflinge am längsten arbeiten, bekamen die kargsten Rationen und wurden mit der Black Betty verprügelt, einem Rasierstreichriemen, der an einem hölzernen Stock befestigt war. Nach Ansicht dieser Veteranen kam Texas gleich daneben.
    In Huntsville war Moon wiederholt wegen »Nichterfüllung der Arbeitsnorm« und »Abwiegens mit Erdklumpen« abgemahnt worden.
    Seinerzeit mußte ein Sträfling in Huntsville beim Baumwollpflücken eine bestimmte Arbeitsnorm erfüllen. Wenn er sie nicht schaffte oder dabei erwischt wurde, wie er seinen Sack mit Erde auffüllte,

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