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Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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einmal sagen.«
    »Bist du deswegen nicht zum Dienst erschienen?«
    Ihm fiel auf, dass sie weder Jacke noch Mantel trug. Die Gestalt im Garten hatte einen Mantel getragen. Aber was musste das schon heißen? Vielleicht lag er jetzt irgendwo im Gras hinter dem Haus?
    »Nein«, sagte sie. »Das ist nicht der einzige Grund.«
    Jan umkrampfte das Telefon. Spiel nicht den Helden. Ruf die Polizei.
    Sie kam einen Schritt auf ihn zu. »Ich will mich von dir verabschieden.«
    Er wich einen Schritt zurück und spürte die Haustür hinter sich. »Verabschieden?«
    Sie senkte den Blick. »Ja, ich habe heute Vormittag fristlos gekündigt, und Professor Straub hat die Kündigung akzeptiert.«
    »Du hast gekündigt? Warum?«
    »Na ja«, sagte sie, ohne den Blick vom Boden abzuwenden, »ich habe eine ziemlich beschissene Zeit hinter mir. Nach der Fehlgeburt habe ich eine Therapie gemacht, aber es hat mir nicht wirklich geholfen. Irgendwie hat nichts funktioniert, was ich danach angepackt habe. Vor allem scheint die Psychiatriearbeit wohl nicht das Richtige für mich zu sein. Jetzt werde ich für ein Jahr nach Namibia gehen und dort an einem Hilfsprojekt mitarbeiten. Wird bestimmt gut für mich sein, eine Weile von allem wegzukommen. «

    »Ja, ist vielleicht ein gute Idee«, sagte Jan und taxierte sie.
    »Weißt du, Jan, meine letzte Beziehung nach der Scheidung war ein voller Reinfall. Danach war ich echt fertig. Und trotzdem war ich so dumm, mich kurz darauf wieder mit einem Mann einzulassen. Noch dazu mit einem verheirateten Mann. Dabei …«, sie seufzte und sah zu ihm auf, »dabei war er gar nicht derjenige, für den ich mich eigentlich interessiert hatte.«
    Jan musste nicht lange raten, wen sie damit meinte. Ebenso war ihm klar, wer der verheiratete Mann gewesen war, und im Geiste schüttelte er den Kopf über Francos Dummheit. Wie hatte er sich nur mit Julia einlassen können ? Ausgerechnet mit ihr. Gut, sie war attraktiv und hatte das gewisse Etwas, das Männer anzog, aber er hätte doch wissen müssen, dass er sich damit nur Ärger einhandeln würde. Mit Julia war eindeutig etwas nicht in Ordnung, das hatte sich recht schnell in der Klinik herumgesprochen. Sie war mit einigen Kollegen angeeckt, aber man hatte ihr dennoch nicht die Chance für einen Neuanfang in Fahlenberg verbauen wollen. Immerhin hatte sie in ihrem Leben einiges durchmachen müssen. Und auch wenn sie privat ein schwieriger Mensch war, in ihrem Beruf war sie absolut zuverlässig. Das konnte sie perfekt trennen.
    Und vielleicht verbarg sich hinter der professionellen Fassade noch ganz etwas anderes, dachte Jan jetzt.
    Er zitterte, und das nicht nur der Kälte wegen. In dieser Situation konnte er unmöglich die Polizei rufen. Er war fast nackt, und das hätte ihm völlig falsch ausgelegt werden können.
    Außerdem fühlte er sich verwundbar. Vorhin noch, als sie sich im Gebüsch vor ihm versteckt hatte, war ihm das
in seiner Aufregung nicht bewusst gewesen. Er hatte endlich Klarheit schaffen wollen und sie aufgefordert, mit ihm zu sprechen. Doch nun war es anders. Nun kam er sich in die Enge getrieben vor. Nackt und schutzlos. Vor ihm stand eine Person, die unberechenbar sein konnte und – wenn sein Verdacht zutraf – in dieser Unberechenbarkeit zu einem Mord fähig war.
    »Ich mag dich, Jan«, sagte sie und lächelte ihn an. »Ich mag dich sogar sehr. Du bist keiner dieser Draufgängertypen, die eine Frau ansehen und sich gleich weiß Gott was ausmalen. Du hast mich immer mit Respekt behandelt, auch wenn ich dir ziemlich auf den Geist gegangen sein muss. Das bin ich doch, oder?«
    Er tastete nach der Türklinke. Das reichte. Er wusste jetzt, wer sie war. Alles Weitere würde Sache der Polizei sein.
    Spiel nicht den Helden.
    »Julia, ich hatte einen schweren Tag und bin todmüde. Außerdem möchte ich mir jetzt gerne etwas anziehen.«
    »Ich verstehe schon.« Sie lächelte wieder, aber diesmal wirkte es nicht echt. »Sag mir nur noch eines: Hätte ich jemals eine Chance bei dir gehabt? Ich meine, wenn du nicht schon vergeben gewesen wärst?«
    Jan öffnete die Tür und trat beiseite. »Bitte geh jetzt.«
    Sie erstarrte und sah ihn mit großen Augen an.
    »Das glaube ich nicht«, flüsterte sie. »Hast du etwa Angst vor mir?«
    »Julia, bitte geh!«
    Sie nickte. »Ja, du hast Angst vor mir. Das … das wollte ich nicht. Verzeih mir bitte.«
    Für einen Moment sah sie Jan wie versteinert an, und er befürchtete, sie würde seiner Aufforderung nicht

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