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Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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nachkommen, aber dann ging sie an ihm vorbei.

    Auf der Treppe blieb sie stehen und sah sich noch einmal zu ihm um. »Ich werde dich nicht mehr belästigen, keine Angst«, sagte sie. »Übermorgen bin ich weg von hier. Wie es nach diesem Jahr für mich weitergehen wird, weiß ich noch nicht, aber du hast mein Wort, dass ich nicht nach Fahlenberg zurückkommen werde.«
    »Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Gute«, sagte Jan. Wie gerne hätte er ihr geglaubt, aber er wusste, dass er das nicht durfte.
    Sie kam noch einmal auf ihn zu, und Jan musste dem Drang widerstehen, ihr die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Nicht, wenn er sie nicht reizen wollte. Sie sollte einfach friedlich gehen, zurück in ihr Apartment im Personalwohnheim fahren und ihm Zeit geben, die Polizei zu verständigen.
    Julia zwang sich weiterhin zu einem Lächeln, aber in ihrem Blick spiegelte sich Traurigkeit. Er sah, dass sie mit den Tränen kämpfte. »Jan, bitte denk nichts Falsches von mir, ja?«
    »Nein, das tue ich nicht.«
    »Ich bin nicht so, wie alle von mir denken. Wirklich.«
    »Das weiß ich.«
    Jan sah, wie ihre Lippen zuckten. »Mach’s gut«, flüsterte sie und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Dann drehte sie sich um und lief zu ihrem Wagen.
    Am ganzen Leib zitternd, sah Jan ihr nach. Julia schaute nicht mehr zu ihm zurück. Sie stieg in ihren Wagen, und er konnte sehen, wie sie sich mit der Hand übers Gesicht wischte. Sie weinte. Dann fuhr sie davon.
    Als gleich darauf das Telefon in Jans Hand klingelte, hätte er es vor Schreck beinahe fallen lassen. Seine Nerven lagen blank, und er musste mehrmals durchatmen, ehe er den Anruf entgegennehmen konnte.

    »Was wollte die Schlampe von dir?«, kreischte eine Frauenstimme aus dem Hörer. »Los, sag es mir!«

31
    Binnen Sekundenbruchteilen hatte sich alles verändert. Die Erkenntnis traf Jan wie ein Schlag. Er hatte sich wieder getäuscht. Auch Julia war nicht die unbekannte Frau. Diese hassverzerrte Stimme am Telefon war eine andere.
    Jan lief zum Fenster. Sie musste seinen Hauseingang beobachtet haben, und tatsächlich sah er sie auf der anderen Straßenseite stehen. Sie hielt sich im Schatten von Rudis Haus, und nur ihr Regenmantel war zu erkennen.
    »Hat sie dich angemacht?«, zischte sie aus dem Hörer. »Wollte sie gefickt werden?«
    Das war seine Chance, aber er würde ihr weder im Handtuch hinterherlaufen, noch würde er sie ins Haus lassen. Er musste sie dort festhalten, wo sie war.
    »Nein, sie ist nur eine Bekannte.« Er bemühte sich, ruhig zu sprechen, aber innerlich lief sein Verstand auf Hochtouren. Er musste dafür sorgen, dass sie in der Leitung blieb, und gleichzeitig die Polizei verständigen.
    Mein Handy? Wo ist mein Handy?
    Er lief zur Garderobe und durchsuchte seine Jacke. Nichts.
    »Eine Bekannte«, echote sie verächtlich. »Du lügst. Natürlich wollte sie gefickt werden. Dieses dreckige Luder ! Ich habe euch doch genau gesehen. Na, war’s gut?«
    Jan stürmte in sein Arbeitszimmer und durchwühlte seine Aktentasche. Wo ist nur dieses gottverdammte Handy?

    »Hör mir zu«, sagte er und sah sich hektisch im Raum um. »Bitte hör mir zu. Es gibt keinen Grund, sich aufzuregen. Zwischen mir und dieser Frau ist nichts. Du wolltest mich doch sprechen, nicht wahr? Deswegen bist du doch gekommen.«
    Seine Hose! Er lief ins Badezimmer und tastete die Taschen seiner Jeans ab, fand jedoch nur seinen Wagenschlüssel. Und dann fiel es ihm ein. Heute Nachmittag, kurz nach dem Gespräch mit Bettina, hatte sich sein leerer Akku gemeldet, und Jan hatte das Handy ans Ladekabel angeschlossen. Er hatte es auf seinen Schreibtisch gelegt, um es nicht zu vergessen. Dort lag es immer noch.
    Na großartig!
    »Jetzt hörst du mir einmal zu«, sagte die Unbekannte, und ihre Stimme klang bedrohlich ruhig. »So kann das nicht gehen, verstehst du? Ich werde nicht zulassen, dass so eine wie die an dir rummacht. Das tut mir weh . Weißt du eigentlich, wie weh mir das tut?«
    Noch während sie sprach, warf Jan das Handtuch zu Boden und schlüpfte in seine Jeans. Hastig streifte er einen Pullover über und presste das Telefon wieder ans Ohr.
    »Auf keinen Fall wollte ich dich …«
    Er stutzte. Am anderen Ende der Leitung tutete das Freizeichen.
    »Mist!«
    Er stürmte zum Fenster. Die Frau war weg. Irgendwo heulte der Motor eines Autos auf, doch Jan konnte den davonfahrenden Wagen nirgends sehen.
    Schlagartig wurde ihm klar, wohin sie fuhr.
    »Julia! «

32
    Als Jan den Parkplatz vor

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