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Dunkler Wahn

Dunkler Wahn

Titel: Dunkler Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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Aufenthaltsort. Doch anscheinend befand sich Jana in einer absolut ruhigen Umgebung. Dem gedämpften Klang ihrer Stimme nach zu urteilen, musste sie sich in einem Raum befinden. Kein allzu großer Raum, da es keinen Hall gab. Außer ihrem leisen, gleichmäßigen Atem hörte Jan nichts.
    »Nein, Jan«, sagte sie schließlich. »Ich glaube, das ist keine gute Idee. Es ist noch zu früh. Die Zeit ist zwar nicht mehr fern, bis wir unseren Plan Wirklichkeit werden lassen können, aber noch bist du nicht ganz dafür bereit, fürchte ich.«
    »Welcher Plan?«
    Abermals seufzte sie. »Ach, mein Lieber, das weißt du doch ganz genau. Wir haben schon so oft darüber gesprochen. «
    »In deiner Traumwelt?«
    »Wenn du sie so nennen möchtest, ja.«
    Jan hatte damit gerechnet, dass sie sich gegen seinen Vorschlag wehren würde. Die meisten Patienten, mit denen er zu tun hatte, benötigten erst eine geraume Zeit, ehe sie sich zu einem Termin mit einem Psychiater überwinden konnten. Immerhin war das ein Eingeständnis, nicht mehr aus eigener Kraft weiterzukommen – und im Fall dieser Frau gesellte sich noch das Eingeständnis hinzu, dass etwas mit ihrem Geist nicht stimmte. Es würde das Ende ihrer imaginären Welt bedeuten, und wie bei allen Psychotikern war diese Konsequenz mit Ängsten verbunden. Auf einmal würden Dinge, die man bisher als real betrachtet hatte, als Wahngebilde entlarvt werden, und das konnte in der Anfangsphase zu einer Desorientierung führen.
    Doch Jan blieb beharrlich. Wenn er sie überführen
wollte, musste er sie mit der Argumentation ihres eigenen Wahns überzeugen.
    »Jana, dann weißt du auch, dass das so nicht funktionieren kann. Um den Plan verwirklichen zu können, müssen wir uns auch in der Wirklichkeit begegnen. Nur du und ich.«
    Fast glaubte er hören zu können, wie sie energisch den Kopf schüttelte. »Ich kann doch nicht bei dir zu Hause vorbeikommen, Jan. Das geht nicht. Die Gefahr wäre zu groß.«
    »Welche Gefahr?«
    »Dass du das von mir wollen würdest, was alle Männer wollen. Es würde unsere Beziehung verunreinigen, verstehst du? Und das dürfen wir nicht riskieren. Für unseren Plan müssen wir rein sein, absolut rein. Nur dann wird es funktionieren.«
    Das, was alle Männer wollen , dachte Jan. Fürchtete sie sich vor seiner Nähe, weil er ein Mann war? War sie missbraucht worden? War das der Grund für das kleine Mädchen auf dem Bild und die teils kindlich verstellte Stimme? Ertrug sie es nicht, als Frau gesehen zu werden, weil sie damit schlimme Erfahrungen hatte machen müssen?
    Es konnte so sein, musste aber nicht. Ebenso gut war es möglich, dass sie sich in ihrer erwachsenen Alltagswelt nicht mehr zurechtfand und sich deshalb in ein kindliches Ich flüchtete. Auch das hatte er schon bei Patientinnen erlebt. Vor allem, wenn ihre behütete Jugend ein abruptes Ende gefunden hatte – etwa durch den Tod oder die Krankheit der Eltern –, kam es immer wieder vor, dass sie sich in die Rolle des Kindes flüchteten, das beschützt werden wollte.
    »Dann treffen wir uns eben an einem neutralen Ort«, schlug Jan vor. »Vielleicht irgendwo in der Stadt?«
    »Wo alles um uns herum die Ohren spitzt? Nein, Jan,
unser Plan geht doch nur dich und mich etwas an. Auf keinen Fall dürfen wir Gefahr laufen, dass dieses neugierige Pack da draußen etwas davon mitbekommt. Sie würden es sonst nur verhindern wollen.«
    » Was würden sie verhindern wollen?«
    »Ach, Schatz, das weißt du doch selbst am besten. Darum ist es wichtig, dass niemand uns hören kann.«
    »Ja, du hast Recht«, bestätigte Jan, während er gleichzeitig die Faust vor Aufregung ballte. Jetzt hatte er sie, wo er sie haben wollte. Einen Versuch war es wert. »Gut, Jana. Warum kommst du dann nicht in mein Büro? Dort können wir reden, ich kann die Tür abschließen, und niemand kann uns belauschen.«
    »Ins Irrenhaus?« Sie klang ehrlich verwundert. »Warum sollte ich ins Irrenhaus gehen?«
    »Na, ich arbeite dort.«
    Ein lauter Knall kam aus dem Hörer, so als ob jemand mit der flachen Hand auf eine Tischfläche schlug. »Nein, Jan, nein, nein, nein! Sag nicht, dass ich verrückt bin! Tu das nie, nie wieder!«
    Jan zuckte zusammen. Ihm war, als balancierte er ein rohes Ei auf einem Löffel, das nun zu Boden zu fallen drohte.
    »Aber ich habe doch nicht …«
    »Doch, genau das hast du!«, fuhr sie ihn an. »Was glaubst du eigentlich, wer du bist, hä? Du dringst in meine Träume ein, versprichst mir das Blaue vom Himmel,

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