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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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den Schutthang hinauf, der einst die mächtige äußere Festungsmauer gewesen war. Manche Trupps trugen Leitern und Enterhaken, die anderen schwangen ihre Waffen. Sie schwärmten über die zerbrochenen Ränder der eingestürzten Mauer, ein wüster Sturmhaufen, rot im Schein der Fackeln, blinkenden Stahl in den Fäusten.
    Aber dann, als sie den Hof gewonnen hatten und gegen die inneren Türen schlugen, ging ihr Kriegsgeschrei in schrillem Geheul unter. Ein Hagel von Geschossen überschüttete sie von drei Seiten, und von den Mauern, an die sie ihre Sturmleitern legten, ergoss sich flüssiges Feuer. Der äußere Burghof wurde zur Falle, in die sie sich stürz ten, als wäre der Sieg in greifbarer Nähe.
    Keuchend wuchteten Silvus und ich ein Fass des Brand öls auf die Brustwehr. Es musste ungefähr zehn Herz schläge lang aufrecht stehen, bevor es geöffnet wurde, um der Schutzflüssigkeit Gelegenheit zu geben, die Ober fläche zu bedecken. Andernfalls würde das Brandöl we gen der Beimengung von weißem Phosphor in Flam men aufgehen, sobald das Fass geöffnet wurde. Aber was machte es schon? Wir stemmten das Fass zwischen zwei Zinnen über dem Ende einer Sturmleiter, die gerade er schienen war, Silvus schlug mit einem Streitkolben den Deckel ein, und wir entleerten es über die Leiter und stießen es hinunter. Ein Poltern und Krachen, Schreie und ein gewaltig aufflammendes Feuer. Unter uns wurden die Schreie zahlreicher, brennende Lebewesen wälzten sich in Todesqual. Wir grinsten einander wölfisch an.
    Rufe hinter uns. Ein Durchbruch? Aber als wir uns umwandten, zeigten sie zum Himmel. Wir spähten hinauf und sahen den Flugdrachen durch die Nacht segeln, sche menhaft und schwarz.
    Ein glockenheller Sopran rief Befehle. Ich wusste, dass diese Stimme über eine Schlachtreihe hin hörbar sein würde, seit ich sie an jenem ersten Abend im Palast von Tenabra gehört hatte. Wir hörten sie und hielten inne und wurden wieder Soldaten, losgelöst von der Wildheit des Kampfes. Formieren! Mannschaften an die Schleuderma schinen.
    Wir gruppierten uns um. Schwestern eilten zu den Schleudermaschinen. Der Angriff stockte. Armbrustbol zen und Pfeile erfüllten die Luft mit ihrem Zischen. Je mand stieß ein Fass flüssigen Feuers vom inneren Wehr gang. Es zerbarst und verspritzte seinen flammenden In halt über den halben Hof. Ein anderer warf einen Korb ungelöschten Kalk hinunter. Gebrüll und wilde Schreie von unten waren die Antwort.
    Unser neuer Standort war auf einer der Bastionen un weit von einer Ballista. Die Bedienungsmannschaft hatte sie gespannt, und die Geschützführerin kauerte am hinte ren Ende und spähte den langen Eisenpfeil entlang, der in seiner Rinne lag. Eine andere Schleudermaschine löste ihr Geschoss aus und der lange Pfeil zischte davon. Die Ge schützführerin blickte hinüber und schüttelte ungeduldig den Kopf.
    Der Schuss verfehlte sein Ziel.
    Ich hörte sie vor sich hin murmeln, während sie den Flugdrachen beobachtete und die Hand am Abzug hielt. »Näher… komm näher, mein Lieber, mein Schöner… du musst näher kommen. Aus so weiter Entfernung kann dein Meister die Dinge nicht lenken. Ja, er muss jetzt schon die Toten auferwecken, so viele hat es erwischt… Komm endlich näher… Zeig mir diesen Fleck unter dei nem Flügel…«
    Und der Flugdrache segelte näher. Ich spähte hinauf und sah ihn, schätzte die Entfernung auf zweihundert Schritte, aber über uns. Der Widerschein der Feuer flackerte auf seiner gepanzerten Unterseite. Die aufsteigen de Wärme erzeugte eine Thermik, die er mit der Eleganz und Anmut eines Raubvogels nutzte. Und auf seinem Rücken, die Füße um die schuppige Kehle geschlossen, saß ein Mann.
    Ein gewöhnlicher Mann, jedenfalls nach den Maßen; ziemlich groß und schlank, in einem kompletten Harnisch. Er machte eine Handbewegung, als die Geschütz führerin murmelte, und die zerschlagenen und halb ver brannten Körper unter den Mauern und im Hof regten sich und hoben ihre Waffen auf. Selbst ihre lebenden Ge fährten machten ihnen Platz, aber sie beachteten die Le benden nicht und erkletterten die brennenden Sturmlei tern mit ihren zerschlagenen Gliedmaßen – unaufhaltsam. Die Verteidiger stießen gegen die Leitern, aber wenn sie fielen, rappelten die Untoten sich wieder auf und kletterten ein weiteres Mal nach oben, manche mit zerschmet terten Schädeln, aus denen die Gehirne drängten, mit Lei bern, aus denen die Gedärme hingen, mit geschwärzten, halb

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