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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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sich im angsterfüllten Gesicht der Priorin widerspiegelte. Es war, als ris sen die Schaufelklauen Stücke aus ihrem eigenen Körper.
    Mit denselben Flaschenzügen, die zuvor die Steine auf die Brustwehr gehoben hatten, wurden nun die Essigfäs ser heraufgezogen. Alles musste jetzt auf einmal geschehen. Wenn diese Gefahr abgewendet werden sollte, muss ten alle Steinbrecher auf einmal ausgeschaltet werden. Vielleicht hatte der Zauberer keine weiteren in Reserve, denn dies war eine mächtige Magie. Wie viel von seinem Mana musste er gebraucht haben, um sie herzustellen?
    Mit vereinten Kräften hoben wir die Fässer auf die Zin nen, als eine weitere Erschütterung durch die Mauer ging. Unter uns glühten die in Flammen gehüllten Körper der Steinskorpione. Wir hielten die Fässer auf der Brustwehr, schlugen die Oberseiten ein, kippten die Fässer und ent leerten sie in einem Guss.
    Ein jähes Aufflammen, als der Inhalt der Fässer herun terplatschte, ein Zischen und Brodeln, saure Dämpfe, die geeignet waren, einem das Schädeldach vom Kopf zu heben. Dann Finsternis, als der Essig die Feuer löschte, und wir mussten uns mit dem Licht von Fackeln begnü gen. Dampf wallte in dichten, stechend riechenden Wol ken auf. Ich habe seither nie mehr Salat oder Garnelen mit Essig essen können.
    Als wir sie wieder sehen konnten, schienen die Körper der Steinskorpione sich ein wenig zu biegen. Dann vernah men wir einen scharfen, berstenden Knall, und einer sank auf die Seite. Drei Beine ruderten hilflos in der Luft, dann erstarrten sie. Zwei, drei folgten, lagen leblos oder beweg ten wie auf dem Rücken liegende Käfer wie wirr die Beine. Ein weiterer. Und noch einer kam rückwärts aus dem Loch, das er gegraben hatte, wankte ziellos seitwärts, kam über die Böschung und fiel in die Brandung. Der Letzte ge riet in den herausgebrochenen Mauertrümmern aus dem Gleichgewicht, fiel auf den Rücken, kam wie durch eine gespannte Feder gleich einem Schnellkäfer wieder auf die Beine und lief mit erstaunlicher Geschwindigkeit ziellos hierhin und dorthin und landeinwärts durch die Kette der Bogenschützen, die aus der Dunkelheit auf uns schossen. Wir konnten ihre warnenden Zurufe hören.
    Und gleich darauf unsere eigenen. Die tiefen Aushöh lungen am Fuß der Mauer hatten diese insgesamt ge schwächt, und nach einem kurzen, Unheil verkündenden Rumpeln und Poltern unter uns sackte der Wehrgang, auf dem ich stand, plötzlich weg und löste sich in einer Steinlawine auf, die mit prasselndem Getöse abging. Der flan kierende Turm ächzte dumpf wie ein lebendiges Wesen. Ich hatte glücklicherweise am Rand dieses Einbruchs ge standen und konnte Silvus noch rechtzeitig zu mir ziehen und an der nächsten noch stehenden Zinne Halt finden. Dann rannten wir zur nächsten Bastion, als die Einbruch strecke sich durch nachrutschende Teile der Mauerkrone und des Wehrgangs verbreiterte.
    Fünfzig der Verteidiger hatten auf diesem Mauerabschnitt gestanden, als er zusammenbrach – der zwanzigste Teil der gesamten Garnison. Und die Trümmer fielen nicht nur nach außen. Mauersteine, Schutt und große Quader krachten in den äußeren Hof und jagten unsere Kompanie auseinander, die dort bereitstand, die Vertei diger abzulösen. Silvus schrie mir etwas zu und zeigte zur nächsten Treppe, die vom Wehrgang hinabführte. Die Verteidiger dieses Mauerabschnitts waren alarmiert; un ser Platz war jetzt unten auf dem Hof, wenn die Angrei fer versuchten, die Bresche zu stürmen.
    Das war in der Hitze des Gefechts gedacht, griff aber zu kurz. Die Schwestern waren vorsichtiger und wurden in ihrer Einschätzung der Lage wohl auch eher gerecht. Was von unserer Kompanie übrig geblieben war, kam uns auf der Treppe entgegen. Unten auf dem Hof verbarrika dierten sie bereits die innere Tür zum Hof mit massiven Balken. Die äußere Mauer wies jetzt eine große Bresche auf, aber Ys hatte mehrere Mauern. Und der Ansturm des Dunkels kam, wenn auch etwas später als erwartet.
    Die Schwestern hatten den offenen äußeren Hof leer geräumt, die Türen zu den flankierenden Türmen verbar rikadiert und abgestützt, und bezogen Stellung auf den Wehrgängen ringsum. Der Hof sollte zur Mausefalle für die Angreifer werden.
    Es gab eine Atempause, der die stinkende, rußige Luft nicht zum Vorteil gereichte, einen Blick hinauf zur halb verdeckten Mondsichel und ein Stoßgebet um Hilfe – und dann brach der Sturm los.
    Mit Kriegsgeschrei und rhythmischem Gesang arbeite ten sie sich

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