Dunkler Winter
Spangenhelme zugunsten von Topfhelmen mit Filzkrempen abgelegt, die ihnen den Regen aus den Ge sichtern hielten. Sobald sie auf die Leeseite des Fuhr werks kamen, saßen sie ab, zogen die Filzkrempen von den Helmen und schlugen das Wasser heraus. Sie wirkten müde und durchnässt.
Ich sah in den Wagen, fand einen Schöpfeimer und schaufelte geschälte Haferkörner aus einem Sack. Der Kessel über dem Feuer begann zu dampfen. Ihn zu errei chen, war nur mäßig erschöpfend, aber ich hatte das Ge fühl, dass alle Blicke auf mir lagen. Ich hielt der Schwert jungfrau den Schöpfeimer hin, sie nahm ihn, wartete, bis das Wasser kochte, danach goss sie ein wenig davon in einen Zinnkrug und stellte ihn beiseite. Dann schüttete sie die Haferkörner in den Rest des Wassers, fügte Salz hinzu und rührte um.
Daraufhin zog sie die kleine Metallflasche aus ihrem Beutel und fügte dem heißen Wasser im Zinnkrug sorgsam drei Tropfen der dicken, honigfarbenen Flüssigkeit hinzu.
»Inhalieren Sie den Dampf«, sagte sie. »Wenn es lau warm abgekühlt ist, trinken Sie die Hälfte und nehmen Sie den Rest für Ihren Arm.« Sie sah mich nicht an, als sie es sagte. Und ich sah sie nicht an, als ich den kleinen Krug entgegennahm und tat wie geheißen. Der Geruch war wie eine Mischung von Heidekraut und Thymian, und es schmeckte – wie frisches Brot – nach Leben. Die Nebel in meinem Kopf lösten sich auf. Es war ein schöner Tag.
Suppe aus Trockengemüse mit einem Zwieback. Eine Forelle, heiß vom Spieß, mit einer guten Prise von wildem Sauerampfer. Götter, es war gut zu leben!
Und das war die Wahrheit, selbst wenn die zusammengeschmolzene Gruppe meiner Gefährten einen jämmerlichen Anblick bot. Erstaunlich, was drei Tage Schlamm und Regen bewirken können. Ser Eumas pflegte ein ele ganter junger Ritter zu sein. Nun saß er mit den strähnig an den Kopf geklebten Haaren auf einem nassen Fels block und beugte sich über seine Suppenschale, um zu verhindern, dass der Regen sein Mahl verdünnte. Sein Knappe, ein junger Bursche, der die Zeit der Pickel ge rade hinter sich gebracht hatte, regelmäßiges Rasieren aber noch nicht kannte, hatte seine Mahlzeit als Erster be endet und ölte jetzt die Scheide, um sein Schwert vor dem Rosten zu bewahren.
Ich erschrak, schuldbewusst. Wo waren meine Rüstung und die Waffen? Es wurde Zeit, dass ich wieder eine Stütze wurde. Ich wischte meine Schale aus und stand auf, um im Fuhrwerk nach meinen Sachen zu suchen. Der Wind fegte einen weiteren Wirbel prasselnder Regen tropfen auf unser Lager herab. Ich kam an den Söldnern vorbei, die wie Krähen zusammengekauert hockten und die Rücken dem Wind zugekehrt hatten. Hubert machte Witze mit ihnen, und alle drei teilten sich einen Klumpen Brot. Und dann traf ich den Grafen.
Ruane hatte in Tenabra einen sorgfältig gepflegten Kinn- und Backenbart getragen, der die Kontur seines Unterkiefers betonte. Jetzt begann er auszuwachsen, fügte seinen Wangen Stoppeln hinzu und ließ sein Kinn stärker hervortreten. Neue Runzeln zeigten sich in seinem Ant litz. Er hatte noch nicht gegessen, weil er damit beschäf tigt war, seinem Pferd die Schlinge eines Hafersackes über die Ohren zu ziehen. Das große Schlachtross war hungrig, was es aber nicht daran hinderte, aus purem Übermut den Kopf aufzuwerfen. Ruane fluchte mit ruhi ger, halblauter Stimme wie ein Stallknecht. Ich dachte daran, ihm meine Hilfe anzubieten, ließ es aber sein. Er kam zurecht. Nach kurzer Suche fand ich im Fuhrwerk einen Kasten, der wie eine Waffentruhe aussah.
So war es. Meine Ausrüstung lag darin. Ich musste ohne einen Schild auskommen, doch galt dies für die anderen auch. Mein offener Helm war ausgehämmert und inzwischen wieder groß genug. Ich verzichtete auf eine Lanze – die anderen trugen nur Schwerter und Dolche.
Ausgenommen Hrudis Winterridge mit ihrer Hellebarde und Raol, der im Schutz des Kutschbockes saß und seinen entspannten Langbogen einwachste. Die Bogensehnen, frisch bestrichen mit Wasserleim, lagen bei den Pfeilen. Er grunzte zur Begrüßung. Ich sah ihm eine Weile zu. Er wusste, was er tat, und es war ihm offensichtlich wichtig.
»Schöner Bogen«, sagte ich nach einer Weile.
Er blickte unter buschigen Brauen auf. Seine Hände strichen mit sorgsamen Bewegungen weiter über das Holz. Die Muskeln seiner Arme streckten und spannten sich wie junge Kätzchen, die unter einer Decke spielen.
»Ich will bloß sehen, ob ich zum Abendessen ein oder zwei Kaninchen
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