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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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zu machen, als sie den Reittieren die Sporen gaben und im Galopp den Weg hinunterjagten, jeder mit drei Pferden im Schlepptau, die mit den Zügeln aneinander gebunden waren.
    Eumas, der unten am Wasser gewesen war, sprang ihnen in den Weg und versuchte einem von ihnen in den Zügel zu fallen; er wurde beiseite gestoßen, fiel zu Bo den und überschlug sich und entging nur mit Glück den Hufen der nachfolgenden Pferde. Sie entfernten sich rasch hangabwärts und hatten offensichtlich nicht vor, irgendwo anzuhalten, bis sie geeignetes Weideland und einen Ort finden würden, wo sie überwintern konnten. Raol griff zum Bogen, aber bis er die Sehne gespannt und einen Pfeil aufgelegt hatte, waren sie wenigstens dreihun dert Schritte entfernt.
    Wir konnten ihnen nur nachstarren. Eine Minute lang standen wir schweigend, wie gelähmt.
    »Sie haben den größten Teil des Hafers mitgenommen«, sagte jemand.
    »Können wir sie verfolgen?«
    Das war der Graf. Silvus schüttelte den Kopf. Er sah grau im Gesicht aus, konnte aber stehen.
    »Nein«, sagte er. »Wenn sie unterwegs die Pferde wech seln, erreichen sie heute noch die Baumgrenze. Danach können sie sich überallhin wenden.«
    Wieder wurde es still.
    »Wir sollten umkehren«, sagte Eumas. Es hörte sich an, als müsste er sich die Worte aus dem Fleisch reißen.
    Ruane richtete sich auf. »Noch nicht, denke ich, Ser Eumas«, sagte er. Er war schmutzig, gebeugt, bleich und ähnelte einem wandelnden Leichnam, über seine Kräfte hinaus verausgabt, ausgezehrt und beinahe durchsich tig. Mein Gedächtnis versorgte mich ungebeten mit dem Bild jener Kadaver im Moor. Er blickte zum Himmel auf, schien ermutigt vom weiten Blau, obwohl der zerklüftete Wall der verschneiten Berge alles andere als ermutigend aussah.
    »Es ist noch nicht zu spät im Jahr. Der Sturm hat sich gelegt, es könnte Tauwetter einsetzen. Jedenfalls werde ich noch einen Tag warten. Ich werde mein Versprechen halten, selbst wenn ich allein gehen muss.«
    Er zitterte. Silvus schaute ihn an, als sähe er ihn zum ersten Mal. Eumas und Hubert standen still wie Statuen. Schwester Winterridge behielt ihre ausdruckslose Miene. Ich weiß nicht, was ich tat. Ich verstand es nicht. Es kam mir unsinnig vor, dabei aber war es mir gleich. Ich war zu müde, um mich für irgendetwas zu erwärmen.
    Wir hatten Brennstoff für einen Tag und Proviant für eine Woche, da wir nun nur noch sieben waren. Wasser war kein Problem. Wir konnten diesen und zwei weitere Tage auf Tauwetter warten. Länger als das, und wir würden am Berg umkommen – in unserem Zustand war die Baumgrenze drei Tagesmärsche entfernt.
    Vielleicht würden wir so oder so umkommen. Im men schenleeren Moor- und Heideland östlich der Berge gab es auch nicht viel zu essen.
    Das Tauwetter blieb aus. Der Schnee setzte sich und ver krustete und knirschte, wenn man darauf ging, doch meistens trug die Kruste nicht und man brach bis zu den Knien ein. Raol machte sich auf die Suche nach zusätzlichem Feuerholz und brachte Totholz von den Dickichten niedriger Legföhren und Wacholdersträucher, die an ge schützten Stellen der Berghänge wuchsen. Das ölhaltige, harzige Holz brannte gut, wurde von den Flammen aber allzu rasch verzehrt. Von seinem zweiten Sammelgang kehrte er jedoch verändert zurück, lebhafter, schlug mit den Armen, um sich warmzuhalten, und klopfte sich Schnee, der von dem großen Feuerholzbündel auf seinem Rücken herabfiel, von den Schultern. Ich dachte, wie nor disch er aussah, dick vermummt in seinem derben Woll zeug und mit bereiftem Bart.
    »Da oben ist ein Loch im Berg«, verkündete er, als er bei uns ankam. »Eine Höhle. Schmaler Eingang, geht aber tief hinein.«
    Silvus grunzte. Niemand sonst blickte auf. Wir hatten aus der Plane eine Art Zelt um den Karren aufgespannt und eine Herdstelle gebaut, um Brennmaterial zu sparen und dem Feuer Windschutz zu geben. Es lagen genug Steine herum, aber die Anstrengung hatte uns erschöpft. Der nächste Tag würde der Letzte sein. Danach mussten wir umkehren. Ich dachte an unseren ungesehenen Ge fährten, der uns von Tenabra bis hierher gefolgt war. Wir durften nicht in dieser Einöde sterben.
    Raol wurde ungeduldig.
    »Hört denn niemand?«, fragte er gereizt. »Dort gibt es eine Höhle.« Und als noch immer keine Antwort kam: »Höhlen sind warm.« Er blinzelte in die blendende Weiße. »Jedenfalls wärmer als dies hier.«
    Warm? Das erregte einiges Interesse. Schwester Winter ridge kam etwas mühsam auf

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