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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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bedeutet alles, was mit dem Orden zu tun hat. Und ich glaube, die Linie ist eine Art Landkarte, obwohl niemand ihre Bedeu tung kennt.« Sie wandte sich achselzuckend ab.
    »Die Pfeilspitze ist deutlich genug«, sagte Raol. »Sie zeigt… ah! Vorsicht!«
    Er stocherte mit seinem Stock in dem Winkel herum, auf den das keilförmige Zeichen gerichtet war. Dort lagen herabgefallene Gesteinsbrocken vor einem schmalen, bei nahe mannshohen Block, der wie eine unregelmäßig ge formte Säule in einer Nische stand. Raol ergriff die Spitze mit beiden Händen und zog daran. Der Block ließ sich leicht bewegen, und Raol sprang schnell zurück, als der Stein das Übergewicht bekam und von der Wand in den Höhlenraum fiel. Offenbar hatte er nur in der Nische gelehnt. Nun schlug er mit einem Krachen auf den felsigen Boden, dessen Widerhall die Höhle wie eine Glocke mit uns in der Mitte ertönen ließ. Doch war weder dies noch die Staubwolke, die er aufwirbelte, der Grund dafür, dass wir neugierig näher drängten.
    Im Fallen hatte er eine Öffnung aufgedeckt, die tiefer in den Berg hineinführte.

KAPITEL 10
    Es war ein Stollen, keine Höhle. Der Eingang hatte nur halbe Mannshöhe und war schmal, weitete sich aber gleich darauf und wurde zu gleich höher, obwohl wir leicht gebückt gehen mussten. Er war nicht natürlichen Ursprungs, jedenfalls nicht gänzlich. Jemand hatte Wände und Decke mit einer Spitzhacke bearbeitet. Man konnte die Spuren sehen, und die Rußfle cken, die die Lampen der Hauer an der Decke hinterlassen hatten. Es war deutlich zu er kennen, dass es vorher schon eine Art Spalt oder Öffnung gegeben hatte; aber die Erbauer des Stollens hatten Blöcke und andere Hindernisse entfernt und die Engstellen erweitert. Wir leuchteten mit unserer schwachen Lampe umher und sahen nur einen Gang von unregel mäßig wechselnder Breite und Höhe, der bis zum Rand unserer Wahrnehmung führte, wo er anscheinend nach links und abwärts bog.
    Eumas, die Fackel in der Hand, schob sich nach vorn, aber Silvus, der als Erster in den Stollen eingedrungen war, legte ihm die fla che Hand auf die Brust. »Nein«, sagte er. »Draußen ist es schon Nacht. Wir sind müde. Warten wir bis zum Morgen.«
    »Alles könnte dort sein. Eine Bärenhöhle.«
    »Der Gang ist nicht groß genug, um etwas wirklich Ge fährliches passieren zu lassen. Außer…«
    Er brach ab. Wir alle wussten, was er mit ›außer‹ meinte. »Wir können das Lagerfeuer in die Öffnung selbst verlegen«, fuhr er fort. »Der Zug ist dort am besten, und wenn etwas oder jemand durchkommen will, wird es zu erst durch das Feuer gehen müssen. Das Dunkel scheut Feuer.«
    Das schien uns vernünftig, und wir taten, wie er sagte und verbrachten eine verhältnismäßig ruhige Nacht. Es war trocken in der Höhle, die Kälte war nicht so stark, denn aus der Tiefe des Stollens schien wärmere Luft he raufzudringen. Gleichwohl hielten wir das Feuer in Gang, allerdings sparsamer als zuvor, um den Brennholzvorrat zu strecken und die Rauchentwicklung zu vermindern. Und wir konnten schlafen. Wenn einer zur Zeit Wache hielt, war es genug; wir brauchten die Ruhe.
    Einmal erwachte ich. Durch das Ohr, auf dem ich schlief, schien ich ein Klappern und Schleifen zu hören, als spielte jemand mit Gebeinen, aber weit entfernt, wie aus dem Gestein selbst. Ich fuhr hoch und lauschte, und nichts hatte sich geändert.
    Die Umrisse der Höhle zeichneten sich im matten Schein des kleinen Feuers unbestimmt ab, die Wände bewegten sich im Widerschein der Flammen und erzeugten schwarze, wabernde Schatten, und außer dem Atmen der Schläfer und dem leisen Zischen der Flammen, die von Silvus mit Zweigen vorsichtig genährt wurden, war kein Geräusch zu vernehmen. Er hatte mir den Rücken zu gekehrt. »Schlaf weiter, Will«, sagte er, ohne den Kopf zu wenden. »Es war ein Traum.«
    Seine Gewissheit beruhigte mich. Ich wälzte mich herum und schlief weiter.
    Als ich wieder erwachte, war es Morgen. Die anderen regten sich, Raol erhitzte Wasser über dem Feuer, Eumas rollte bereits seine Decken zusammen. Tageslicht strömte durch die Eingangsöffnung, weiß, hart und blendend von den Schneefeldern. Die Öffnung wurde vorübergehend verdunkelt, dann kam Schwester Winterridge herein, gerötet von der Kälte, frisch gewaschen wie sie es jeden Morgen war. Sie nickte mir zu und begann ihr Ketten hemd über das Unterziehwams zu ziehen. Ich fühlte mich verschlafen und schmutzig, tappte zum kalten Wasser der

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