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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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stets fand sich dann das Zeichen des Strahlenkranzes und des Keils an einer Wand, und wir folgten ihm sofort. Ein Weg war so gut wie jeder andere, und was blieb uns sonst übrig?
    Und wir wurden still, weil die Räume und der Berg still waren, und mehr als still. Sie schluckten Geräusche, er stickten sie. Unsere Schritte trapsten und schleiften, und wir hörten sie laut in den Ohren, mit unserem Atem und dem Pulsschlag. Es war kein schweres Atmen, weil der Weg nicht schwierig war. Er beschrieb Windungen und stieg an und fiel ab, manchmal in Gefällstrecken, manch mal, wenn es steiler wurde, mit ausgehauenen Stufen. Bisweilen war der Stollen breit genug für zwei Personen, dann wieder so schmal, dass ein breitschultriger Mann sich seitwärts bewegen musste. Und immer führte der Gang weiter, sicher und zuverlässig wie eine Straße. Tatsächlich war er eine Straße; wir begingen einen Weg, den ungezählte andere Füße vor uns begangen hatten, weil die Stufen oft abgetreten waren, der Steinboden geglättet, die Kanten rundgeschliffen. Ich beobachtete die anderen. Sie schienen nach der Ruhepause eines Tages und einer Nacht frischer und erholt. Silvus sah weniger abgezehrt aus, der Graf beinahe wie immer; Schwester Winterridge und Raol schienen unverändert. Nur Eumas wirkte über anstrengt; die Falten seines Gesichts waren tief eingegra ben, die Augen schienen in die Höhlen zurückgesunken.
    Silvus ging noch immer voran und trug die Lampe. Wenn der Raum es erlaubte, war Raol mit seinem Lang bogen neben ihm. Hinter ihnen kamen Eumas und Graf Ruane und dessen Knappe Hubert, dann Schwester Winterridge und zuletzt ich. Mit Ausnahme der Eisenschuhe und Panzerhandschuhe hatten wir unsere Harnische angelegt und ich trug meinen Schild auf dem Rücken unter meiner Traglast. Ich war der Einzige unter uns, der sei nen Schild mitgenommen hatte. Trotzdem prickelte meine Rückenhaut und ich blieb dem Licht so nahe wie ich konnte.
    Aber plötzlich machte Silvus Halt und hielt die Lampe hoch. In der Wand zur Rechten gab es eine Höhlung, eine ausgehauene Nische, und dort glänzte etwas. Er beobachtete es misstrauisch von zwei Seiten, dann fasste er hi nauf – die Nische war etwas höher als sein Kopf – und zog eine Laterne heraus, als hätte er sie gerade herbeige zaubert.
    Unter dem verglasten, mit einem blanken Reflektor ver sehenen Brennraum führte der Docht in einen Behälter, der wenigstens ein Quart Öl enthalten konnte. Silvus schüttelte die Lampe. Es gluckste. Voll. Er zog den Kor ken aus der Öffnung zum Einfüllen und schnüffelte. Wortlos reichte er die Laterne Schwester Winterridge, die ihre Nase über die Öffnung hielt.
    »Lampenöl der Kobolde«, sagte sie in sachlichem Ton. »Manchmal finden wir es in ihren Stollen. Es heißt, sie quetschen aus den Steinen.«
    Ein Hauch davon erreichte mich, und ich konnte nicht sagen, wo ich es früher schon gerochen hatte. Bit ter, säuerlich, ölig. Ich überlegte eine Weile, dann hatte ich es. Als ich diesen Geruch zuletzt wahrgenommen hatte, war er mit dem Gestank von Sumpfwasser und Fäulnis vermischt gewesen. Schwester Winterridges goldene Flamme.
    Silvus nahm die Laterne zurück und verschloss die Ein füllöffnung mit dem Korken. Dann zündete er sie an der Flamme unserer Öllampe an. Licht flammte auf, heller als unser schwächliches Lämpchen, goldgelb und gleichmä ßig, durch den Reflektor verstärkt. Silvus löschte die tö nerne Öllampe.
    »Wir werden sie in Reserve behalten«, sagte er ohne er kennbare Ironie. Dann wanderte er weiter und wir folgten. Es wurde wieder still, als wir marschierten. Galerie und Stollen, Höhle und Korridore. Rampen, Treppen, einmal eine Brücke aus Schmiedeeisen über einen abgrund tiefen Spalt. Und immer führte der Strahlenkranz mit dem Keil uns weiter. Die Kälte schien weit hinter uns zu liegen; im Berg war es kühl, aber ausgeglichen, niemals frostig. Als wir unseren Weg fortsetzten, wurde es irgend wie immer unwahrscheinlicher, dass wir umkehren würden. Vielleicht gab es hier Vorräte zu finden, Nahrung.
    Und ein Weg durch den Berg? Ich wusste es nicht. Nie mand konnte erraten, in welche Richtung der Weg uns führte, aber es war der Einzige, der die Markierung trug und geradeaus führte. Wenn es nur einen Weg gibt, folgt man ihm.
    In einem schmalen Stollen, wo die Wände sich oben zu einander neigten, zogen wir im Gänsemarsch eine lange Steigung hinauf, als Silvus abermals Halt machte und sich umwandte.
    Ich spähte zu ihm

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