Dunkler Winter
Nebenge bäuden entlang den Außenmauern. Auf dem Hof erwartete uns eine kleine Gruppe.
An ihrer Spitze stand eine eher kleine brünette Frau. Über ihrem Kettenhemd trug sie eine Halskette aus silbernen Rosen, verbunden durch ihre Stängel. Aufbli ckend, sah ich das Banner auf dem Bergfried von seinem Mast wehen: azurblau mit einer silbernen Rose. Das Wap pen des Ordens.
Sie lächelte, als sie uns sah, und Schwester Winter ridge ging auf sie zu und beugte ein Knie. Die ältere Frau trat näher, hob sie mit symbolischer Gebärde auf und umarmte sie. Es war eine Geste förmlicher Freund lichkeit, die zweifellos Teil eines festen Begrüßungszeremoniells war.
Dann wandte Schwester Winterridge sich zu uns um. »Priorin Merceda, darf ich vorstellen… Ser Eumas de Reave, Ser Silvus de Castro, Knappe Willan de Parkin und Raol Halvisson. Knappe Hubert de Clansi ist zur Kran kenstube gebracht worden, wie Sie wissen.«
Ihre Vorgesetzte nickte. Sie hatte ein Lächeln für uns, und zugleich einen besorgten Blick. Tief liegende nuss braune Augen, schlau und abschätzend bei aller Höflich keit. Und das Kettenhemd, das sie trug, diente nicht der Schau. Es war aus schwerem Gewebe und an Knien und Ellbogen durch Kniekacheln und Schwebescheiben ver stärkt. Als sie uns nacheinander die Hand gab, fühlte ich harte Schwielen, die man nicht vom Rühren in einem Kochtopf oder vom Schreiben mit einem Gänsekiel be kommt.
»Ihr verwundeter Gefährte wird jetzt behandelt«, sagte sie. »Wir werden bald mehr über die Verletzung wissen. Meine Herren, Sie haben eine lange und harte Reise hin ter sich. Wir werden zum Essen im Refektorium zu sammenkommen, wenn Sie dafür bereit sind. Badezuber und saubere Kleidung werden hergerichtet. Gehen Sie mit meinen Schwestern, und was wir uns an Bequemlichkeiten leisten können, steht Ihnen zur Verfügung. Schwester, ein Wort mit Ihnen…«
Es war so förmlich wie eine Pavane. Sie wandte sich von uns ab und sprach in völlig anderem Ton zu Schwester Winterridge. Ich fühlte ein Zupfen an meinem Bün del. Ein vielleicht vierzehnjähriges Kind stand da und zog daran und ich überließ es ihr. Sie wandte sich um und eilte davon, und ich vermutete, dass ich ihr folgen müsse.
Die Decken sah ich nie wieder. Ich fürchte, sie wurden verbrannt, und das war in Anbetracht des Ungeziefers, das sich darin eingenistet hatte, wahrscheinlich gut so. Der Rest meiner Sachen, bis hin zum Griff meines abgebrochenen Dolches, erschien später in meiner Schlafkam mer. Ich machte mir deswegen keine Sorgen. Zunächst hatte ich Mühe genug, meine kleine Führerin im Auge zu behalten, als sie in einer Türöffnung eines der an die Außenmauer gebauten Nebengebäude verschwand.
Die Kammer, zu der wir hinaufstiegen, war sauber und kahl, eine von vielen gleichartigen Kammern in einer Galerie, durch Zwischenwände aus einfachen Holzlatten voneinander getrennt. Die äußere Befestigungsmauer bil dete die Rückwände der Kammern, das Dach lag unter dem Wehrgang, und die Schießscharten in der Außen mauer, durch die die Kammern spärliches Licht empfin gen, waren für Bogenschützen bestimmt. In Kriegszeiten konnten die Zwischenwände niedergelegt werden, um das ganze Geschoss in einen leicht zugänglichen Teil des Verteidigungssystems zu verwandeln. Ich spähte durch die Schießscharte. Sie bot ein gutes Schussfeld in genau der richtigen Höhe über dem Hang.
Die Kammer war so leer wie der Kopf eines Höflings, doch hätte ich wetten mögen, dass jemand in aller Eile ausquartiert worden war, um Platz für mich zu schaffen. Alles darin war von äußerster Einfachheit und sehr sauber. Der Boden sah aus, als sei er erst an diesem Morgen geschrubbt worden, auf dem Rollbett lagen ein Strohsack und drei Decken am Fußende, sorgsam zusammengelegt. Ein Hocker diente zugleich als Nachttisch, und ein Spind vervollständigte die Einrichtung. Der Spind war leer, roch aber noch nach Kernseife. Sonst gab es nichts. Das Mäd chen, das mich hierher geführt hatte, war fortgegangen, sowie ich die Kammer betreten hatte.
Ich setzte mich aufs Bett. Das Bedürfnis zu schlafen war überwältigend, aber zuerst musste ich mich von meiner Rüstung befreien, und die Anstrengung ging beinahe über meine Kräfte. Ich zog an Riemen und Schnallen – nassen Riemen, die widerspenstig und zäh waren – , als das Mädchen zurückkehrte. Es trug einen hölzernen Bottich von der Größe eines Wäschekorbes. Ich hatte schon gedacht, dass ich mich in einem
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