Dunkler Winter
einmal!«, rief Silvus, heiser vor Anstrengung, und das knirschende Geräusch wiederholte sich. Wieder nahm das Licht zu; ein Balken gesegneten blassen Son nenlichts fiel in den Raum.
»Kommt, schnell!«, schrie ich Ruane ins Ohr, aber es war, als riefe ich in die See. Sein Visier war geschlossen, er schüttelte mich ab; und als die Kobolde wieder angriffen, kam er auf die Knie und fiel dann vorwärts in ihre Mitte. Dabei brüllte er etwas Unverständliches, vielleicht sei nen Schlachtruf, den er seinen Erben vermachen sollte. Der Ansturm der Körper drängte mich zurück, und nun waren wir getrennt, zwei Schritte auseinander.
Eumas kam die Treppe herab, ihm zu helfen, und ich schlug einen Kobold nieder und durchbohrte einen zwei ten, aber die Horde war jetzt zwischen Ruane und uns an deren.
Der Graf kam fluchend auf die Beine und schlug wild um sich, aber sie brachten ihn gleich wieder zu Fall und schwärmten über ihn, schlugen und hackten auf ihn ein. Und nun brach eine weitere Welle von ihnen vor und brandete gegen uns an, drängte uns mit der Gewalt ihrer Übermacht zurück. Eumas erhielt einen Hieb von einem Fleischerbeil, dessen Klinge seinen Diechling durchschlug und in seinen Oberschenkel biss, und ich fasste ihn unter dem Arm und zog ihn zurück und die Stufen hinauf. Noch immer herrschte ein Gewühl unter den Angreifern, wo sie sich über Ruane hergemacht hatten wie Ameisen über einen Käfer. Eumas riss sich von mir los und versuchte ihn wieder zu erreichen, obwohl ihm das Blut am Bein herabrann und Fußabdrücke am Boden hinterließ. Aber der Wall der dunkelhäutigen Körper und ihrer mörderischen Klingen war nicht zu durchbrechen und sie er hielten weitere Verstärkung.
Schon drängten sie uns wieder die Stufen hinauf und diesmal fochten wir ums nackte Leben. Eumas wurde von Minute zu Minute schwächer und ich musste versuchen, ihn mit meinem Schild zu decken. Ein jäher harter Schlag auf meine linke Seite nahm mir den Atem, und ich sah rote Funken, aber die Rüstung hielt. Trotzdem wäre ich beinahe zusammengeklappt.
Jemand brüllte über uns. »Raus! Raus! Der Keil gibt nach. Raus, oder ihr bleibt für immer hier!«
Drei der gegen uns andrängenden Kobolde fielen gleichzeitig, einer von Raols Pfeil durchbohrt, einer unter Eumas’ Dolch und einer mit Schwester Winterridges Wurfaxt im Schädel. So gewannen wir eine Atempause, in der wir uns von den Angreifern lösen und die Flucht ergreifen konnten. Ich musste Eumas stützen und die Stufen hinaufhelfen. Nach zwei Schritten half Schwester Winterridge ihm weiter, und das ließ mir genug Zeit, den nächsten Kobold niederzustoßen und die restlichen Stu fen hinaufzuspringen. Raol durchbohrte meinen nächsten Verfolger, was die Nachfolgenden jedoch unbeeindruckt ließ. Sie stießen ihre Toten beiseite und stürmten weiter vor, aber es hielt sie eine Weile lang auf, und ich gewann einen kostbaren Vorsprung. Die steinerne Tür mit dem Zeichen des Strahlenkranzes stand weniger als halb offen, blockiert von Silvus’ gebogenem Dolch. Die Klinge zit terte unter dem Druck und ich hörte das Ächzen schwer fälliger Maschinerie. Trotzdem blickte ich zurück und glaubte zu sehen, wie Ruane sich vom Boden aufrichtete und zur Treppe wandte, aber Hände packten mich beim Arm und zogen mich durch die Öffnung; und als sie es taten, ging ein Zittern durch die Tür und sie begann sich knirschend zu schließen.
Ich zog den Arm ein, verlor den Griff an meinem Schild und hatte eben noch genug Raum, um durchzuschlüpfen, musste den Schild aber zurücklassen. Beinahe hätte ich auch den Arm verloren.
Und da waren wir, ganz allein am kalten Berghang.
Man kann an einem psychischen Schock, wie er zum Bei spiel im Krieg nach harten Kämpfen mitunter auftritt, durchaus sterben. Starker Blutverlust kann das Gleiche bewirken. Wärmeverlust, erschöpftes Liegen auf kaltem, nassem Boden nach schwerem Kampf. Starke Männer legen sich nieder und stehen nicht mehr auf. Keine Verlet zung, kaum ein äußerliches Zeichen an ihnen, wenn man kommt, sie zu beerdigen. Ich weiß es. Beinahe wäre es mir passiert.
Der Berghang war steil und weiß gesprenkelt vom Schnee, der im Schatten der Blöcke und Felsrippen liegen geblieben war. Er neigte sich gegen Osten und lag einem weiteren, ähnlichen Berghang gegenüber, und da er die meiste Zeit des Tages im Schatten lag, war es kalt genug, dass Schnee liegen blieb. Wir waren hinter einem massi gen Felsriegel auf den Hang herausgekommen,
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