Dunkler Winter
ein harter Bursche sein, aber es war eine Dummheit, niemandem etwas davon zu sagen, dass Ihnen ein paar Rippen eingeschlagen wurden. In ein paar Tagen werden Sie die ganze Seite herunter wie ein Regen bogen aussehen und können noch von Glück sagen, dass es nicht schlimmer ausgegangen ist.«
»Ich… wusste es nicht. Es fühlte sich nicht so schlimm an. Und wir mussten weiter.«
Sie schnalzte missbilligend. »Naja. Hier ist der Auf guss.« Die kleine Novizin trat durch den Vorhang ein, einen dampfenden Becher in der Hand. »Trinken Sie alles aus.«
Ich tat es. Es schmeckte wie heißer saurer Wein mit einem starken bitteren Nachgeschmack, und ein körniger Bodensatz schwamm darin, wenn man ihn aufrührte.
»Das wird Ihr Fieber zurückdrängen, solange es nicht ihre Lungen angreift, was ich nicht glaube«, bemerkte sie befriedigt, als sie sah, dass ich auch den Satz trank. »Und nun schlafen Sie. Wollen Sie einen Topf?«
»Danke, ich schaffe es zur Latrine«, murmelte ich, aber sie widersprach sofort.
»Ich sagte, Sie brauchen Bettruhe, und das ist mein Ernst. Wenn Sie sich erkälten und das Lungenfieber be kommen, kann ich Ihnen nicht mehr helfen.« Sie sah, dass ich zu der kleinen Novizin blickte. »Ach, machen Sie sich ihretwegen keine Gedanken. Novizinnen im ersten Jahr haben viel Schlimmeres zu tun, als einen Helden zu pflegen.«
»Was?«
»Einen Helden«, wiederholte sie. »Gut, dass Sie nicht gehört haben, was Schwester Winterridge in der Versammlung über Sie gesagt hat. Es würde Ihnen den Kopf verdrehen.«
Held? Ich war kein Held. Bisher war ich immer an dem Ende gewesen, wo die Prügel eingesteckt werden.
Sie kümmerten sich um meine Bedürfnisse, und – um die Wahrheit zu sagen – ich hatte Schwierigkeiten, mich zu bewegen. Später, als sie vergangen waren, hatte ich Zeit, darüber nachzudenken, was sie gesagt hatte. Aber meine Gedanken gingen im Kreis und wiederholten sich. Kobolde grinsten mir ins Gesicht, während ihre Waffen meine Eingeweide durchbohrten, der Geruch von Lam penöl und die Erinnerung an bittere Kälte verfolgten mich. Silvus’ Gesicht, lang und forschend, beugte sich naserümpfend über mich wie über einen schlechten Ge ruch. Eumas weinte und die Tränen zogen ätzende Bah nen über seine Wangen. Und Ruane warf sich in die Mitte seiner Angreifer, wurde von ihnen überwältigt und riss sich dann in den letzten Augenblicken los, bevor die stei nerne Tür sich schloss. Ich sah diese Abfolge immer wie der, bis sie zu einem Traum wurde; und dann schrumpfte sie zu einem Punkt und verlor sich im Nichts.
Der Morgen brachte Frost und das Gekrächze von Krä hen. Silbriges Licht sickerte durch den Schlitz der Schieß scharte und etwas mehr drang durch den Vorhangstoff von der Galerie herein. Andere Wahrnehmungen kamen hinzu: Stimmen und Stiefeltritte von jenseits der Trennwand, Küchengerüche.
Ohne an meinen Zustand zu denken, stemmte ich mich im Bett hoch. Der stechende Schmerz in meiner Seite ver schlug mir den Atem und ich musste für einen Moment die Augen schließen. Als ich wieder in der Lage war, von meiner Umgebung Notiz zu nehmen, sah ich meine Rüstung, die den größten Teil des Raumes zwischen dem Fußende des Bettes und der Wand ausfüllte. Sie war frisch gereinigt und jeder Rostfleck schien wegpoliert. So gar im gedämpften Licht schimmerte das Metall. Sie sah wunderschön aus, auch die Dellen darin sahen wunder schön aus, und ich begann zu überlegen, wie viel Zeit und Mühe es gekostet haben musste, diesen Glanz zu er zeugen.
Viel Zeit und viel Arbeit. Das einzige Problem war, dass die Rüstung alles an Kleidung war, was ich sehen konnte, und ich konnte schlechterdings nicht in Harnisch und Beinröhren zum Frühstück hinuntergehen.
Aber ein Bündel beim Türvorhang ächzte und wälzte sich herum – es war eines der halbwüchsigen Mädchen, eine Novizin, die dort in eine Decke gewickelt schlief. Das machte es mir unmöglich, das Bett zu verlassen – ich war splitternackt – und ich wartete, bis sie den Schlaf aus den Augen geblinzelt hatte, bevor ich Bewegungen des Kleideranziehens machte, während ich unter den Decken blieb.
Sicherlich war es einfältig. Schließlich hatte ich meine Nacktheit nicht selbst herbeigeführt. Oder hatte ich mich während des Schlafwandelns ausgezogen? Und wo wa ren meine Kleider?
Sie schüttelte ihre Decke aus, legte sie zusammen und ging. Aber bald darauf kam sie mit der Heilkundigen zurück, nicht mit meinen
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