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Dunkler Winter

Dunkler Winter

Titel: Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Luckett
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Pferdetrog würde wa schen müssen, hätte es aber besser wissen sollen. Schließ lich war dies der Orden.
    Sie stellte den Bottich ab und half mir mit der Rüstung. Sie kannte sich damit aus und legte bei der Arbeit die gleiche klinische Gleichgültigkeit an den Tag, die mir bei Schwester Winterridge aufgefallen war. Das Gefühl von Abstand wurde durch den Umstand verstärkt, dass sie, wie sich herausstellte, kaum etwas von meiner Sprache verstand. Nicht mehr als ein paar Worte, vielleicht. Aber gleichgültig oder nicht, als sie den Harnisch von Brust und Rücken entfernte, stockte ihr der Atem – und mir auch. In meinem Fall vor Schmerz. Mit meinen schmer zenden Rippen hatte es mehr auf sich, als ich wusste.
    Der Brustharnisch sah mehr oder weniger unbeschädigt aus, und in der Hitze des Kampfes war mir entgangen, was mich getroffen hatte. Es musste etwas wie ein Streitkolben gewesen sein, denn das wattierte Unterzieh wams hatte im Bereich zwischen Achselhöhle und Gürtel einen Blutfleck von der Größe eines Suppentellers aufge saugt. Ich versuchte das schwere Kleidungsstück auszu ziehen, aber es klebte, und die Wunde blutete mehr – ich fühlte die warme Feuchtigkeit über den Rippen – , und plötzlich knirschte der Knochen, der nicht mehr vom Harnisch gestützt wurde. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt muss ich ohnmächtig geworden sein.
    Man kommt nicht von einem Augenblick zum anderen zu sich. Tatsächlich ist es oft schwierig zu sagen, zu welchem Zeitpunkt man das Bewusstsein wiedererlangt hat. Das dürfen Sie mir getrost glauben, denn ich wurde ein Fach mann auf diesem Gebiet. Aber ich lag und hatte seit eini ger Zeit auf diesem Strohsack in der Kammer gelegen und in mir wurde die Erinnerung an Schmerzen wach.
    Als ich so weit zur Besinnung gekommen war, dass ich die Augen öffnen konnte, entdeckte ich, dass sich einiges verändert hatte. Zum einen war das Tageslicht geschwun den, es gab nur eine dicke Kerze in einem Halter und die Schatten huschten wie scheues Getier in der Kammer herum. Auch war ich sauber und mein Brustkorb war fest mit breiten Leinenbandagen umwickelt. Zudem fühlte ich mich warm, richtig warm und trocken, obwohl die Luft in meinem Gesicht kalt wie ein Kuss der Schneekönigin war. Und meine Nase witterte einen Duft von Honig und Ge würz, den ich wiedererkannte. Heilsalbe.
    Ich wandte den Kopf. Die Bewegung bereitete Schmer zen, und ich folgerte daraus, dass es nicht ratsam sein würde, mich auf den Ellbogen hochzustemmen. Auf dem Hocker neben dem Bett saß die junge Novizin, dieselbe, die mich zur Kammer geführt hatte. Als sie sah, dass ich mich bewegte, sprang sie auf, machte eine lächerliche Geste, die nur ›warten Sie hier‹ bedeuten konnte, und verschwand durch den Vorhang aus Segeltuch, der als Tür diente. Ich hatte kaum Zeit, mich zu fragen, wohin ich nach ihrer Meinung gehen könnte, als sie schon in Be gleitung einer anderen Person zurückkehrte. Dies war eine kleinwüchsige, schmächtige Frau in einem boden langen Gewand. Ich musste zweimal hinsehen. Sie war nicht nur die erste Frau in weiblichen Kleidern, die ich seit jenem Bauernhaus östlich der Berge gesehen hatte, sondern sie hatte Ringellocken, die von einem mit Blumen bestickten Band aus der Stirn gehalten wurden und bewegte sich auch mit einem sanften weiblichen Hüft schwung, statt im klirrenden Marschtritt einherzuschrei ten. Und das in einer Festung voll von weiblichen Sol daten.
    Sie sah meine Überraschung und deutete sie richtig. »Nein, ich bin keine Ordensschwester«, sagte sie in mun terem Ton. »Dank der Göttin habe ich ein Zuhause, wohin ich gehen kann.«
    Sie sprach mit einem fremdartigen Akzent, der die Konsonanten scharf betonte. Aber sie befühlte meine Rippen mit sanften Fingern und schüttelte mitfühlend den Kopf, als ich scharf die Luft einsog. Die gebrochenen Kno chen schienen aneinander zu reiben. Sie fühlte mir den Puls mit einer kühlen, trockenen Hand, sah mir prüfend ins Gesicht, dann legte sie mir die Hand an die Stirn.
    »Hm«, machte sie. »Sie haben Fieber, das wir senken müssen und die Rippen werden noch viele Tage fest bandagiert bleiben müssen. Ich werde Ihnen Rinde gegen das Fieber geben, aber Sie werden nicht imstande sein, mor gen zu reisen, und es ist bedeutungslos, was die Priorin sagt.«
    Die Priorin, ja. Die Dame auf dem Burghof. Schwester Winterridges Vorgesetzte.
    »Wie geht es Hubert?«, fragte ich nach einem Augenblick, als sie sich zum Gehen wandte. Das Atmen

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