Dunkler Zauber
Sieh mich an.«
Ein Teil von Cam wollte gehorchen. Sie blickte auf und wollte schon ihre Augen auf die des Mannes richten, der so viel Macht über sie hatte, der sie zu ihrer Mutter ... Sie hörte Karsh. Lass dich nicht umgarnen. Erinnere dich, wer du bist. Arons Tochter würde nicht in diese Falle gehen. Konzentriere deinen Blick auf Ileana.
Cam drehte sich rasch um - gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie es auf sie zuflog. Ileana hatte ihr das Sonnen-Amulett zugeworfen. Sie fing es auf. Und in ihrer Hand verspürte sie das vertraute Kribbeln, die Wärme, die es verströmte, hörte das Summen. Sie sah zu Ileana herüber, die ihre zarten Finger um Alex' Mond-Amulett geschlossen hatte.
Würde das funktionieren? Mit ihr und Ileana? Thantos warf den Kopf in den Nacken und lachte spöttisch. »Ihr wollt mit magischen Mitteln gegen mich kämpfen? Gegen ... uns? Moment, ich muss mich setzen. Das kann ja unterhaltsam werden.« Er ließ sich auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch fallen.
Ileana ging zu Cam hinüber und streckte ihr die Handfläche entgegen. Dann wandte sie ihren Blick auf die bewusstlose Alex und sprach:
Erwache Artemis und schließ dich uns an
Im Kampfegegen den finsteren Wahn!
Cam öffnete ihre Faust. Sie hielt die Kette fest - und beobachtete, wie das Sonnen-Amulett aus eigener Kraft, wie von einem Magneten angezogen, auf Alex Mond-Anhänger zusteuerte. Ob sie wohl eine Chance gegen Thantos hatten, falls sich die beiden Schmuckstücke verbanden, wie es geschah, wenn Alex und sie die Amulette benutzten ?
Gemeinsam bringen wir Kraft und Licht Ileana sang noch immer leise.
Gemeinsam besiegt uns das Böse nicht.
Es klappte! Die Amulette hatten einander gefunden und vereinigten sich.
Thantos lehnte sich erheitert zurück. Cam meinte zu sehen, dass Alex' Augenlider zuckten. Funktionierte es? Und dann geschah es. Die Pflanze, die auf dem Tisch stand, der große Ficus, schwankte auf einmal mitsamt seinem Übertopf quer durch den Raum und flog dem überraschten Fredo an den Kopf.
Er verlor nicht das Bewusstsein. Er wurde nur sehr wütend. Tja.
Cam und Alex wussten auch ohne Vorahnung, was jetzt geschehen würde. Fredo würde genau das machen, was er sonst auch immer tat - obwohl das beim letzten Mal nicht geklappt hatte und diesmal wahrscheinlich auch nicht klappen würde. Cam hätte beinah gesagt: »Reißzähne putzen nicht vergessen.«
Die ziegenähnliche Gestalt des Mannes dehnte und streckte sich nach oben, auf seiner Haut bildeten sich Schuppen und seine spitzen Zähne wurden zu langen Reißzähnen - Fredo verwandelte sich wieder in die riesige Eidechse! Er schlug mit seinen scharfen, gelben Krallen nach ihnen. Nur dass Ileana ihn aufhielt, sich ihm in den Weg stellte und ihm einen Tritt in seinen schuppigen Magen verpasste. Rasend vor Wut sprang Thantos auf und trat dicht an Cam heran. »Du wagst es, dich mir zu widersetzen?« Cams Augen brannten, als sein glitzernder schwarzer Blick sie durchbohrte. Sie befürchtete, dass sie ohnmächtig werden würde.
Ileana, die versuchte Fredo zurückzuhalten, schrie: »Wende dich ab! Bedecke deine Augen!«
Alex hatte auf ihren Einsatz gewartet. Jetzt! Hellwach und kraftvoll schmiss sie sich auf den Boden und umklammerte Thantos' Fußgelenke mit beiden Händen - sie wollte ihn zu Fall bringen. Es gelang ihr auch, aber der mächtige Hexer schaffte es zuvor noch, Cam einen weiteren blitzenden Blick zuzuwerfen, der sie genau in dem Moment rücklings durch die Luft schleuderte, in dem Fredo auf sie zukam. Die Riesen-Eidechse sprang - doch Cam war außer Gefahr -und landete mit einem entsetzlichen Brüllen auf Thantos. Das vierhundert Kilo schwere, hässliche, schuppige Monster begrub den mächtigen Hexer unter sich. Da würde er nicht so schnell wieder herauskommen.
Ileana rief den Zwillingen zu: »Verschwindet! Bringt euch in Sicherheit.«
Cam blieb stur. »Nur, wenn du auch mitkommst.«
Ileana wirbelte herum. »Widersprich mir nicht! Ich bin euer Vormund und ich befehle euch zu gehen. Und zwar sofort!«
Doch die Zwillinge schenkten ihren Anweisungen keinerlei Beachtung. »Hast du Karsh befreit?«, war Cams erste Frage.
»Konnten die Amulette irgendwie helfen?«, erkundigte sich Alex.
»Geht es ihm gut?«
»Wo ist er?«
Wütend schrie Ileana: »Ihr fragt zu viel! Aber ...« Ihr Tonfall wurde sanfter. »Wenn es euch so wichtig ist. Ja, ich habe ihn befreit.« Sie unterbrach sich, biss sich auf die Unterlippe und richtete ihre grauen Augen auf
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