Dunkles Begehren
Kuss, und kümmre
dich um deinen Bruder, damit du dich mir widmen kannst.« Ihre Stimme war kaum
mehr als ein warmer Hauch in seinem Ohr, doch ihre Worte weckten das Verlangen
in ihm. Gabriel presste seine Lippen auf die ihren und küsste sie voller
Leidenschaft, bis sie schließlich von einem Wirbelsturm aus Empfindungen
davongetragen wurden, an einen Ort, der nur ihnen gehörte.
Lucian räusperte
sich diskret. Ich versuche, mich von deinen Gedanken fernzuhalten, Gabriel, doch du bist in
meiner Nähe, und eure Gefühle sind zu stark für diesen kleinen Raum. Ich habe
schon sehr lange nichts mehr empfunden, die Versuchung ist groß.
Sofort zog sich
Gabriel von Francesca zurück.
Sie lachte, während
sie wie ein Teenager errötete. Das war gedankenlos von uns. Schnell brachte sie
ihre Kleidung in Ordnung.
Gabriel liebte es,
jede ihrer Bewegungen zu beobachten. Lautlos, überaus weiblich, mit einer
Anmut, die ihm den Atem raubte. Dann nahm er einen leisen Seufzer in seinen
Gedanken wahr. Lucian erinnerte ihn daran, seine Pflicht zu erfüllen.
Francesca beugte sich über Gabriels Bruder und berührte die Wunde an seiner
Kehle mit sanften, ruhigen Bewegungen. Gabriel wusste, dass sie Lucian wieder
zu heilen versuchte. Es war Francesca einfach nicht möglich, die Qualen eines
anderen Lebewesens mit anzusehen, ohne ihm zu helfen.
Mit geschlossenen
Augen bemühte sich Lucian zu lächeln. »Du bist wirklich ein Wunder, wie Gabriel
dich in seinen Gedanken beschrieben hat.«
»Hat er mich ein
>Wunder< genannt?« Selbst Francescas
Stimme klang
beruhigend. Gabriel wollte sie berühren und für immer in ihrer Schönheit und
Güte versinken. Nach einem Leben in einer trostlosen Welt voller Gewalt war sie
tatsächlich ein Wunder.
»Ja, und er hatte
ausnahmsweise Recht.« Lucians schöne Stimme klang angestrengt und schwach.
Gabriel erschrak. Nie zuvor hatte er seinen unbesiegbaren Zwillingsbruder so
kraftlos erlebt.
»Ich habe immer
Recht«, korrigierte er, der wieder an Lucians Seite getreten war. »Es ist ein
eigenartiges Phänomen, mit dem mein Bruder nur schwer leben kann, dennoch ...«
Lucian öffnete die
Augen, und er bedachte seinen Zwillingsbruder mit einem Blick, der ihn
einschüchtern sollte. »Francesca, meine liebe Schwester, du hast dich an einen
Mann gebunden, der zu sehr von sich eingenommen ist. Ich kann mich nicht daran
erinnern, dass er jemals Recht gehabt hätte.«
Gabriel setzte sich
neben Lucian auf die Couch. »Höre nicht auf ihn, meine Liebste. Er übt diesen
einschüchternden Blick jeden Tag vor dem Spiegel. Er glaubt, mich damit zum
Schweigen zu bringen.« Abermals öffnete Gabriel eine Stelle an seinem
Handgelenk und presste es auf den Mund seines Bruders. »Trink, damit du lebst.
Ich gebe dir mein Blut freiwillig, für dich und deine zukünftige Gefährtin, wo
sie auch sein mag.« Gabriel erinnerte Lucian absichtlich an die Frau, die
irgendwo auf der Welt auf ihn wartete.
Doch sein
Zwillingsbruder war unendlich erschöpft. Zweitausend Jahre lang hatte er in
einer trostlosen Welt gelebt. Sein Körper schrie nach Blut. Seine Augen sahen
nur die Schatten, grau und finster. Es gab keine anderen Empfindungen außer
denen, die er in Gabriels Gedanken fand. Ohne Hoffnung hatte er sich wieder und
wieder geopfert, damit sein Bruder nicht töten musste.
Nur zögernd nahm er
Gabriels Blut in sich auf. Er hatte sein Leben damit verbracht, über ihn zu
wachen, und wollte ihn kräftig und gesund sehen. Doch gleichzeitig spürte er,
wie seine ausgehungerten Zellen die Essenz des Lebens in sich aufnahmen und
ihm neue Kräfte schenkten.
Wieder schloss Lucian
die Augen. Wollte er sein Leben wirklich fortsetzen? Sein Schicksal war
vorbestimmt gewesen, und nun sollte es sich plötzlich ändern? Wenn Francesca
sich nun irrte ? Woher sollte sie von seiner Gefährtin wissen ? Sie stand in
keinerlei Verbindung zu dieser geheimnisvollen Frau. Oder sagte sie diese Dinge
nur, um ihn am Leben zu halten?
»Das würde sie
niemals tun«, versicherte Gabriel ihm mit erschöpfter Stimme. »Francesca könnte
dich nicht belügen. Wenn sie sagt, dass du eine Gefährtin hast, die dich
braucht, dann stimmt es.«
»Und woher weißt du
das?«, fragte Lucian Francesca.
Ein leises Lächeln
spielte um ihre sanften Lippen. »Ich wünschte, es dir erklären zu können, doch
das kann ich nicht. Schon seit einiger Zeit nehme ich immer wieder die Verbindung
einer anderen Seele war. Sie ist sehr jung, vielleicht einige Jahre älter
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