Dunkles Begehren
eine
Heilerin, eine Frau, die über erstaunliche Kräfte verfügte und ihren Körper
genau kannte. Gabriel hätte sie nicht täuschen können, wenn sie es ihm nicht
gestattet hätte. Sie hatte seine Sehnsucht nach ihr angenommen und um ein Vielfaches
erwidert. Gabriel war der Meinung, so viel Macht über sie zu besitzen, doch sie
hatte von Anfang an gewusst, was geschah. Sie hatte es gewusst. Sie war keine
junge, unerfahrene Frau mehr. Gabriel hätte sie nicht ohne ihr Einverständnis
verführen können.
War die
Anziehungskraft eines Gefährten so stark? Oder lag es an Gabriel selbst?
Francesca leimte sich an ihn und fand die Stelle, nach der sie gesucht hatte,
als wären ihre Körper füreinander geschaffen worden.
Gabriel, der wie
immer als Schatten in ihren Gedanken weilte, wies sie nicht daraufhin, dass sie
tatsächlich füreinander geschaffen worden waren. Francesca war die andere
Hälfte seiner Seele, seines Herzens. Sie war seine Welt, der einzige Grund,
aus dem er zweitausend Jahre in Finsternis verbracht hatte. Und nur ihretwegen
kämpfte er so unerbittlich dafür, die Welt von der Geißel der Untoten zu
befreien. Francesca sollte wissen, dass sie nur seinetwegen so lange in ihrem
Leben ausgeharrt hatte. Sie gehörten zueinander.
Francesca warf ihm
einen Blick über die Schulter zu. Ihre großen dunklen Augen glänzten. »Ich lese
deine Gedanken, Gabriel«, gestand sie leise, während ein leichtes Lächeln um
ihre Mundwinkel spielte.
»Wenn du meine
Gedanken lesen könntest«, antwortete er verschmitzt, »würdest du jetzt
erröten.«
Francesca errötete
tatsächlich, doch es lag am Klang seiner Stimme und seinem warmen Atem auf
ihrer Haut. Sie brauchte nicht einmal seine lebhaften erotischen Vorstellungen
mit ihm zu teilen. »Hör auf, wir haben noch viel zu tun.« Sie atmete tief
durch. »Du ganz besonders.« Als sie die Worte aussprach, setzte ihr Herz einen
Schlag lang aus. Sie schickte ihn hinaus in die Stadt, um den Vampir zu suchen
und herauszufinden, was in ihrer geliebten Stadt geschah. Das Böse lauerte in
Paris. Lucian. Der gefallene Engel. Francesca fühlte sich unendlich traurig und
wusste, dass es Gabriels Kummer war, den sie auffing. Er tobte in ihm wie ein
Gewittersturm.
Gabriel wandte sich
von ihr ab und unterbrach die Verbindung zu ihr, um ihr seinen Schmerz zu
ersparen, doch Francesca fuhr augenblicklich herum und zog ihn in ihre Arme.
Sie tröstete und beruhigte ihn, war in diesem Augenblick nicht nur seine
Gefährtin, sondern auch eine Heilerin. Mühelos fand sie die geistige Verbindung
zu ihm und sandte ihm ein Gefühl des Friedens und Trostes. »Ich bin bei dir,
Gabriel, immer. Du stehst nicht allein vor dieser Aufgabe.«
»Wenn du meine
Gedanken liest, Francesca, wirst du ihn sehen, wie er war - ein Krieger, wie es
keinen zweiten in der Welt gibt. Er opferte sein Leben für unser Volk, für die
Menschheit. Ich glaubte immer an ihn, und er hat mich niemals im Stich
gelassen. Nach all den Schlachten, all den Morden, die er begangen hat, kann
mein Herz die traurige Wahrheit noch immer nicht akzeptieren.« Gabriel fuhr
sich mit der Hand durch sein langes schwarzes Haar, und seine dunklen Augen
blickten unendlich kummervoll. »Nacht für Nacht hat er gegen Vampire gekämpft.
Er trug viele schreckliche Wunden davon und nahm meinen Platz ein, wenn ich in
Gefahr schwebte. Mitten in der Schlacht war er plötzlich blitzschnell bei mir
und stellte sich zwischen mich und den Untoten. Niemals, in all den endlosen
Jahrhunderten, hat er sich beklagt. Lucian hat immer das Richtige getan und
einen hohen Preis dafür bezahlen müssen. Doch nun muss ich mein Versprechen
einlösen, ihn zu vernichten.«
Francesca wählte
ihre Worte mit Bedacht. »Es ist nicht länger dein Bruder, nach dem du suchst,
Gabriel, sondern nur eine leere Hülle. Die wunderbare Seele und das Herz deines
Zwillingsbruders haben diese Welt längst verlassen. Du darfst nicht an den
Bruder denken, den du so geschätzt und geliebt hast. Dies ist ein Vampir, ein
Untoter, nicht Lucian.«
Gabriel ergriff
Francescas Hand und legte sie auf die Stelle an seiner Brust, unter der sein
Herz schlug. »Du hast Recht, das weiß ich, doch Lucian ist nicht wie die
Untoten, die ich mein Leben lang gejagt und unschädlich gemacht habe. Er hat
sich gewisse Charaktereigenschaften bewahrt, was ich niemals für möglich
gehalten hätte.«
Francesca zog ihn
enger an sich. Gabriel wusste diese kleine Geste zu schätzen, die
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