Dunkles Blut: Thriller (German Edition)
des Senders.« Der bärtige Typ in der dicken Fleecejacke putzte sich die Nase mit einem durchweichten Taschentuch, ohne den Blick von dem Bildschirm zu wenden, vor dem er saß. Eine Reporterin mit rosigen Wangen sprach gerade in die Kamera, während der Schnee um ihren Kopf wirbelte. » … ist der Zorn der Aberdeener Bevölkerung heute Abend deutlich spürbar. Wir haben mit einigen Nachbarn von Richard Knox gesprochen …«
» Wir reden hier von Brandstiftung.«
Der Mann drehte an einem Regler an seinem kleinen Mischpult. » Also, wenn’s nach mir ginge, wäre es ja kein Problem …«
Logan seufzte. » Aber?«
» Für die BBC ist es enorm wichtig, dass sie als unabhängig wahrgenommen wird. Sonst wird uns kein Mensch je wieder vertrauen. Ohne richterlichen Beschluss darf ich Ihnen keinerlei Filmmaterial aushändigen.«
Und das war die gleiche Antwort, die er von jedem der Pressefuzzis, die das Haus belagerten, bekommen hatte.
» Können Sie es mir wenigstens zeigen?«
Der bärtige BBC -Mann kräuselte die Lippen. » Geben Sie mir eine Minute, okay?« Er beugte sich vor, drückte auf einen Knopf und sprach in ein kleines Mikrofon. » Das war super, Janet – können wir es gleich noch mal versuchen? Und vergiss diesmal nicht, die Kampagne zu erwähnen, die seine Abschiebung fordert.«
Die Frau auf dem Bildschirm zog ein finsteres Gesicht. » Man kann einen Menschen nicht von Aberdeen nach Newcastle abschieben, das ergibt einfach keinen Sinn! Und außerdem ist es hier draußen arschkalt !«
» Dann sag eben › in seine Heimatstadt zurückführen ‹ oder › zwangsumsiedeln ‹ oder › verjagen ‹ . Irgendwas eben. Dann kannst du reinkommen und eine Tasse Tee trinken und dich auf die nächste Reportage vorbereiten: Um zwölf nach sind wir live auf Sendung.« Er ließ den Knopf los. » Immer diese blöden Primadonnen.«
Er schwang auf seinem Stuhl herum und duckte sich, um einer ramponierten Gelenklampe auszuweichen. » Es kommt sowieso heute Abend in den Zehn-Uhr-Nachrichten, also kann’s wohl nicht schaden, wenn ich Sie einen Blick reinwerfen lasse …«
Der Mann betätigte einen Schalter an der hinteren Instrumentenwand, worauf ein kleiner Monitor über einer Art Achtspur-Rekorder flackernd zum Leben erwachte.
» Kopfhörer.« Er deutete auf ein versifftes Exemplar, das an einem zum Haken zurechtgebogenen Kleiderbügel am Geräteregal hing und neben dem Monitor eingesteckt war.
Dann hackte er kurz auf eine schmutzige Tastatur ein, und die Reporterin war wieder zu sehen. Hinter ihr stand Knox’ Haus in hellen Flammen, orange-gelbe Zungen schlugen aus dem Wohnzimmerfenster, rote Funken mischten sich mit den Schneeflocken in der Luft, und in den oberen Fenstern glomm ein flackerndes Licht.
» Heute Morgen wurde der berüchtigte Vergewaltiger Richard Knox von der Polizei aus seinem Wohnhaus eskortiert, nachdem es zu wütenden Protesten gekommen war.« Schnitt, und man sah die bekannten Aufnahmen der aufgebrachten Menge vor dem Haus. » Zahlreiche Anwohner, aber auch Menschen, die sogar bis aus Cheshire gekommen waren, drängten sich in Scharen in dieser ruhigen Aberdeener Straße, nachdem eine Regionalzeitung enthüllt hatte, dass Knox sich im Stadtteil Cornhill niedergelassen hat.«
Schnitt: Ein Mann mit aufgequollenem Gesicht und einem rötlichen Muttermal auf einer Wange sagte: » Das ist doch nicht in Ordnung, oder? Warum sollen wir uns gefallen lassen, dass Newcastle uns seine Perversen aufhalst?«
Dann eine Frau, die die Haare so fest nach hinten gebunden hatte, dass ihr Gesicht wie geliftet wirkte: » Eine Sauerei ist das, jawohl! Eine absolute Schande!«
Ein Teenager mit mehr Akne als Haut und einer Nase wie ein gespitzter Bleistift: » Dieser schwule –« Lautes Piepsen. » – hätte nie aus dem Gefängnis entlassen werden dürfen.«
Zurück zur Reporterin. » Aber heute Abend eskalierte dann die Situation, und die ohnehin schon enormen Spannungen entluden sich in Gewalt.«
Wieder ein Schnitt: Nacht, Schneefall. Die Menge war auf einen kleinen, durchgefrorenen harten Kern zusammengeschrumpft. Dann kam jemand ins Bild, der einen brennenden Molotowcocktail in der Hand hielt. Das Geschoss flog in hohem Bogen durch die Luft, und die Kamera schwenkte herum, um einzufangen, wie es an der Granitwand von Knox’ Haus explodierte. Der Lichtblitz war so grell, dass die Kamera einen Moment lang überlastet war, doch dann war das Bild wieder da, und man konnte gerade noch sehen, wie der zweite
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