Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkles Erwachen

Dunkles Erwachen

Titel: Dunkles Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Knip
Vom Netzwerk:
nach Rauch und Kerosin hing in der Luft. Instinktiv wollte er so viel Abstand wie möglich zwischen sich und das Wrack bringen.
    Ein Grollen löste sich aus seiner Kehle. Er schrie gegen die Schmerzen an und taumelte zu Boden. In diesem Augenblick erschütterte eine Explosion die Luft. Wie eine Puppe wurde Tyler von dem heißen Odem in seinem Rücken emporgeschleudert und zu Boden geworfen.
    Sein Bewusstsein erlosch.
     
    [Ist er tot?]
    Er fühlte eine warme Berührung an seinem Gesicht.
    [Es scheint so.]
    Etwas strich feucht über seine Stirn. Er nahm einen heißen Atem wahr. Was waren das für Stimmen? Er hörte sie wie durch einen schweren Vorhang, doch es war eher so, als ob er ihre Bedeutung tief in sich fühlte und nicht den Klang der Worte verstand.
    [Warte ...]
    [Was? Was? Ich will nicht, dass ihn die Hyänen sich holen.]
    Hyänen? Was sollten diese Aasfresser von ihm wollen? Er stöhnte.
    [Er lebt] , stellte die Stimme nahe seinem Ohr fest.
    Ich lebe, wurde ihm bewusst.
    Er hob seine rechte Hand und griff in die Richtung der Stimme. Seine Finger spürten ein raues Fell.
    »Wer ...?«, kam es schwach über seine Lippen.
    Der Körper unter seinen Fingern zuckte zurück.
    »Nicht ... bleib«, bat er.
    [Hast du das auch ... verstanden, Cha'ta?]
    [Ja-a ...] , kam die Antwort zögerlich. [T'cha, lass uns gehen! Das ist keine Beute für uns!]
    »T'cha?«, kamen seine Worte leise. »Bitte ...«
    [Ich gehe, T'cha! Mach du mit ihm, was du willst! Ich suche mir ein Gazellenjunges!]
    Lange Zeit folgte keine Antwort. Er ließ seine Hand sinken und atmete unter Schmerzen.
    [Geh] , hörte er schließlich die Stimme T'chas. [Ich bleibe bei ihm. Er ist ...]
    [... ein Mensch. Und wie alle Menschen unser Feind oder unsere Beute!] , begehrte die andere Stimme auf.
    [Nein, Cha'ta. Da ist mehr. Ich spüre es. Er ist einer – von uns ...]
    En Brüllen betäubte seine Ohren. [Du bist verrückt, große Mutter! Er ist ein Mensch! Er ist – - keiner von uns!]
    [Vielleicht hast du recht, Tochter. Doch bis ich mir dessen sicher bin, sorge ich für ihn.]
    [K'tach wird das niemals gestatten!] Heiseres Fauchen klang zu ihm herüber. Er fühlte warmen Atem auf seinem Bein.
    [K'tach wird es nicht wagen, sich seiner Mutter in den Weg zu stellen.]
    Fast glaubte er, so etwas wie einen belustigten Unterton in dem Grollen zu vernehmen. Er konzentrierte sich auf seine Augen und zwang sich dazu, sie aufzuschlagen. Endlich lösten sich die blutverklebten Lider voneinander. Licht blendete ihn. Er kniff die Augen zusammen, öffnete sie einen Spalt weit und sah den wuchtigen Kopf einer Löwin vor sich.
    [Augen, so klar wie der Himmel, aus dem du gefallen bist] , stellte die Stimme mit einer unerwarteten Sanftheit fest. [Komm, ich trage dich.]
    Er spürte, wie sich lange Zähne um die zerfetzte Kleidung an seinem Nacken schlossen und ihn leicht anhoben. Ohne zu einer Gegenwehr fähig zu sein, ließ er sich über die staubige Erde schleifen.

 
     
     
    Kapitel 3
     
    [Ich habe damals nicht geglaubt, dass du es überleben würdest. Du hattest solch schwere Verletzungen.]
    »Ich hatte nicht geglaubt, dass K'tach mich am Leben lassen würde. Doch du hast dich vor mich gestellt und mich mit deinem Leben verteidigt. Und mich gesund gepflegt.«
    Talon strich der alten Löwin gedankenversunken durchs Fell. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden. Es wurde nun schnell dunkel. Am nachtschwarzen Himmel zeichneten sich zahllose Sterne vor einem langen milchigen Band ab. Der Mond war nicht mehr als eine schmale Sichel, die tief im Westen hing.
    [Wir sollten uns auf den Weg machen. Die Hyänen werden bald kommen.] T'cha richtete ihren schweren Körper in einer kraftvollen Bewegung auf und blickte den Mann an.
    [Wo wirst du über Nacht bleiben?] , wollte sie wissen.
    »Dort, wo ich die letzten Wochen verbracht habe«, meinte Talon und wies auf einen der knorrigen Akazienbäume. »In den oberen Ästen. Dort bin ich sicher.«
    T'cha knurrte, und der Mann konnte das Unbehagen dabei hören. Dennoch erwiderte die alte Löwin nichts und trottete davon. Nach ein paar Schritten blieb sie stehen und wandte den Kopf.
    [Gib auf dich acht. Wenn du möchtest, begleite ich dich morgen.]
    »Das würde mich freuen«, entgegnete Talon. »Unten am Wasserloch, direkt nach Sonnenaufgang?«
    Ein leises Knurren entfuhr T'cha. Sie verfiel in einen leichten Trab und verschwand in der Dämmerung. Talon sah ihr nach, bis er sie in der Dunkelheit nicht mehr ausmachen konnte.

Weitere Kostenlose Bücher