Dunkles Indien
Nurkeed und warf Pambé den leeren Topf zu.
Pambé schleuderte ihn verachtungsvoll in ein Wasserschaff über Nurkeeds Wollschädel. Nurkeed zog das Messer und stach damit Pambé ins Bein, worauf Pambé seinerseits ein Messer zückte. Aber Nurkeed ließ sich in die Finsternis hinabfallen und spuckte von unten durch das Gitter nach Pambé, dessen Blut das saubere Vorderdeck besudelte.
Der weiße Mond war der einzige Zeuge dieser Vorgänge, denn die Offiziere des Schiffs standen abseits, um die Verstauung der Kohlen zu überwachen, und die Passagiere drängten sich in ihre Kabinen. »Macht nix«, sagte Pambé und verband sich die Wunde, »wir werden die Sache später schon in Ordnung bringen.«
Als Malaye und in Indien geboren war er einmal in Burma verheiratet, wo seine Gattin einen Zigarrenladen in der Shwe-Dagon-Straße besaß; ein zweites Mal in Singapur mit einem Chinesenmädel, und außerdem noch in Madras mit einer mohammedanischen Geflügelverkäuferin. Ein englischer Seemann kann wegen der Segnungen der Post und des Telegraphen nicht so ausgiebig heiraten, wie er gerne möchte, aber ein eingeborener Matrose kann es, denn er kümmert sich um die barbarischen Einrichtungen des Westens den Teufel. Pambé war ein solider Ehemann, vorausgesetzt, daß er sich der Existenz einer seiner Gattinnen jeweils bewußt wurde; aber andererseits war er auch Malaye, und es ist nicht ratsam, einen Malayen zu beleidigen, denn er vergißt niemals. Hier, im Fall Pambé, war Blut vergossen und Essen besudelt worden.
Am nächsten Morgen stand Nurkeed mit klarem Kopf auf; er war nicht mehr länger der Sultan von Sansibar, sondern lediglich ein von Kesselglut gequälter Heizer. Als solcher begab er sich auf Deck und öffnete seine Brust der Morgenbrise, da kam ein Messer angesaust wie ein fliegender Fisch knapp an seiner Achselhöhle vorbei und blieb in der Tür der Schiffsküche stecken. Ohne die Ruhepause weiter zu genießen, lief Nurkeed hinunter und sann nach, was er dem Besitzer der Waffe möglicherweise angetan haben könnte. Nachmittags, als alle indischen Matrosen beim Essen saßen, trat er unter sie und, da er ein friedfertiger Mann war und überdies um seine Haut besorgt, eröffnete er ein Gespräch mit folgenden Worten: »Mannschaft des Dampfers! Gestern nacht war ich besoffen. Heut morgen wollte es mir scheinen, als hätte ich mich ungebührlich gegen einen oder den andern von euch benommen. Wer ist dieser Mann, auf daß ich von Angesicht zu Angesicht vor ihn treten kann und ihm sagen, daß ich besoffen war?«
Pambé maß im Geiste die Distanz ab, die ihn von Nurkeeds nackter Brust trennte. Ein so weiter Sprung konnte leicht fehlgehen, und ein blindes Drauflosstechen hätte vielleicht nur eine Schramme zur Folge gehabt; mit Sicherheit jemand das Messer zwischen die Rippen jagen kann man nur, wenn der Betreffende schläft. - Daher schwieg Pambé, und die andern Inder taten desgleichen. Ihre Gesichter wurden regungslos, wie es bei allen Orientalen geschieht, wenn Mord und Totschlag oder sonst etwas Drohendes in der Luft liegen. Nurkeed spähte lang in die weißen starren Augäpfel; er war nur ein Afrikaner und verstand sich nicht aufs Charakterlesen. Ein schwerer Seufzer - fast ein Stöhnen - entrang sich seiner Brust, dann ging er wieder hinunter zu seinem Kessel. Die indischen Matrosen nahmen ihre Unterhaltung auf, wo sie stehengeblieben waren; sie tauschten Meinungen aus, wie man am besten Reis kocht.
Nurkeed litt sehr unter dem Luftmangel unten im Heizraum auf der langen Fahrt nach Bombay, aber er kam nur an Deck, wenn alles belebt war. Aber auch bei solchen Gelegenheiten passierten die merkwürdigsten Dinge: einmal fiel ein schwerer Block von der Dirk herunter, dicht an seinem Schädel vorbei; dann wieder begann ein anscheinend fester Grätling, auf den er seinen Fuß setzte, derart zu wackeln, daß er bei einem Haar fünfzehn Fuß tief in die Schiffsladung hinabgestürzt wäre; und schließlich, in einer besonders unerträglich schwülen Nacht sauste ein Messer vom Fockmast hernieder. Und diesmal gab's Blut. Da erstattete Nurkeed die Anzeige und, als die »Saarbrücken« Bombay anlief, suchte er schnell das Weite und verbarg sich unter den achthunderttausend Menschen, und muckste sich nicht, bis das Schiff den Hafen nach einem Monat wieder verließ. Auch Pambé wartete, hoffte und harrte; aber seine Bombay-Gattin erging sich immer gründlicher in Keiferei, so daß ihm schließlich nichts übrigblieb, als sich für
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