Dunkles Indien
Säbelgriff und sein Blick glitt hinüber zu Dirkowitsch, der zurückgelehnt in seinem Sessel saß -»Aber sollte nach Gottes Ratschluß dann nicht Polo, sondern - ein anderes Spiel gespielt werden, so seid versichert, Colonel Sahib und ihr Herren Offiziere, daß wir Seite an Seite bis ans Ende spielen werden, und wenn sie auch«, wieder heftete er den Blick auf Dirkowitsch, »fünfzig Ponys hätten und wir nur eins.« Und mit einem tief aus der Kehle kommenden »Rung ho«, das dumpf dröhnte, wie wenn ein Gewehrkolben auf Steinfliesen fallen gelassen wird, setzte er sich wieder nieder beim Gläserklang.
Dirkowitsch, unentwegt schwelgend im Genüsse des erwähnten märchenhaften Branntweins, hatte kein Wort verstanden; auch die lauwarm-milden Übersetzungen, die man ihm beibrachte, konnten ihm den Sinn nicht klarmachen. Hira Singhs Rede bildete das Ereignis des Tages, und es wollte scheinen, als solle das Getöse bis zum Morgen dauern - da fiel plötzlich draußen ein Schuß, der alle nach der linken, unbewaffneten Seite greifen ließ. Gleich darauf ein wildes Getümmel vor der Tür und ein Schmerzensschrei.
»Wieder mal ein Karabinerdiebstahl!« sagte der Adjutant gelassen und fiel wieder in seinen Sessel zurück. »Das kommt davon, wenn man die Wachen reduziert. Hoffentlich haben ihn die Posten erschossen!«
Die Schritte von Soldaten dröhnten über den Steinboden der Veranda, und es schien, als schleifte man etwas herbei.
»Warum stecken sie den Kerl nicht bis morgen früh in eine Zelle!« meinte der Oberst ärgerlich. »Sehen Sie nach, Sergeant, ob er verwundet ist.«
Der Mann eilte hinaus in die Dunkelheit und kam gleich darauf mit zwei Gemeinen und einem Korporal zurück -alle höchlichst bestürzt.
»Indifidium gefaßt beim Karabinerstehlen«, meldete der Korporal. »Is er wenigstens an die Baracken hin gekrochen, Herr Oberst, und an die Schildwachen vorbei. Und die Schild-wach, die sagt, Herr Oberst----«
Das zusammengekauerte Lumpenbündel, das die drei hereingebracht hatten und am Hals in die Höhe hielten, stöhnte laut. Noch nie hatte man einen so elenden und herabgekommen Afghanen gesehen: ohne Turban, ohne Schuhe, mit Schmutzfladen bedeckt und anscheinend halbtot mißhandelt. Hira Singh schauderte leicht zusammen bei dem Schmerzenslaut des Mannes. Dirkowitsch schenkte sich noch einen Schnaps ein.
»Also, was sagt der Wachtposten?« fragte der Oberst.
»Sagt, er sprich englisch«, meldete der Korporal.
»Also deshalb hast du ihn hereingebracht, statt ihn dem Sergeanten zu übergeben! Merk dir: und wenn er mit Pfingstzungen geredet hätte, hereinbringen durftest du ihn nicht!«
Wieder stöhnte und jammerte das Lumpenbündel. Der kleine Mildred stand auf, um den Fall zu untersuchen. Er sprang zurück wie von einer Schlange gebissen.
»Es wäre gut, die Leute hinauszuschicken«, sagte er halblaut zu dem Obersten. Dann legte er seinen Arm um das in Lumpen gehüllte Jammerbild und setzte es in einen Stuhl. Ich habe vergessen zu erwähnen, daß Mildred deswegen der »kleine« Mildred hieß, weil er die ungeheure Größe von sechs Fuß vier Zoll hatte. Als der Korporal sah, daß ein Offizier sich des Gefangenen annahm und das Auge des Obersten zu funkeln begann, drückte er sich schnell mit seinen Leuten. - Die Tafelrunde war nunmehr allein mit dem Karabinerdieb, der seinen Kopf auf den Tisch sinken ließ und bitterlich, hoffnungslos, trostlos zu weinen und zu schluchzen begann.
Hira Singh sprang auf: »Oberst Sahib, das ist kein Afghane! Afghanen weinen: Ai, Ai. Er ist auch kein Hindustani; die weinen: Oh! Ho! Er weint nach Art der Weißen: Au! Au!«
»Woher, zum Kuckuck, Hira Singh, haben Sie denn diese Kenntnis?« fragte der Kapitän des Lushkar-Regiments.
»Hören Sie ihn?« fragte Hira Singh ruhig.
»Er hat soeben 'Mein Gott' gesagt«, bestätigte der kleine Mildred, »ich habe es genau gehört.«
Schweigend betrachteten der Oberst und die ändern Offiziere den Unglücklichen. Es ist etwas Furchtbares, einen Mann weinen zu hören. Eine Frau kann mit dem Gaumen schluchzen, oder mit den Lippen, oder sonstwie, aber ein Mann schluchzt aus dem Zwerchfell herauf - es zerreißt ihn.
»Armer Teufel!« brummte der Oberst und hustete. »Wir müssen ihn ins Spital schicken, er ist mißhandelt worden.«
Der Adjutant hingegen liebte seine Karabiner zu sehr, als daß er hätte gerührt sein können; Karabiner galten ihm soviel wie Enkelkinder und kamen gleich nach der Mannschaft im Rang. Darum brummte
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