Dunkles Indien
fiel, saß ich im Hintergrund der Veranda, lauschte auf das Trommeln des Wassers in den Dachtraufen und kratzte mich, denn ich war mit Hitzebläschen über und über bedeckt. Tietjens war mit mir hereingekommen, legte mir den Kopf in den Schoß und blickte ungemein sorgenvoll drein, – weshalb ich ihr ein paar Biskuits gab, als ich im Rückraum, wo es wesentlich kühler war, meinen Tee einnahm. Die übrigen Gemächer des Hauses lagen in Dunkelheit getaucht hinter mir. Ich vermied sie, denn ich konnte den Geruch von Stricklands Sattelzeug und dem öl an seinen Flinten nicht leiden. Da kam mein Privatdiener zu mir - seine dünnen Kleider waren so durchnäßt, daß sie ihm förmlich am Leibe festklebten - und sagte, ein Fremder sei gekommen und wünsche, mit jemand zu sprechen. Ich wollte nicht erst warten, bis der Diener Licht in den dunklen Zimmern angezündet haben würde, und ging daher - eigentlich ganz gegen meinen Willen - in das kahle Vorzimmer. Ob nun wirklich ein Besucher draußen war oder nicht, jedenfalls schien es mir, als stünde eine Gestalt am Fenster. Aber als der Diener mit den Leuchtern kam, war nichts zu sehen, zu hören und zu spüren als Regengeprassel und der Geruch der trinkenden Erde. Ich erklärte meinem Diener, er sei noch dümmer, als es sich von Rechts wegen gezieme, und kehrte in die Veranda zurück, um mich mit Tietjens weiter zu unterhalten. Sie war inzwischen in das Unwetter hinausgegangen und ließ sich nur mit Widerstreben zurücklocken -trotz Zuckerstücken und Biskuitverheißung. Kurz vor Abendessenszeit kam Strickland, triefend vor Nässe, nach Haus. Seine ersten Worte waren:
»Ist jemand hier gewesen?«
Ich erzählte ihm, mit dem nötigen Hinweis auf die Dummheit meines Dieners, daß man mich in das Empfangszimmer gerufen habe. Vielleicht sei wirklich irgendein Tagedieb dagewesen, aber jedenfalls hätte er das Weite gesucht, ohne sich vorzustellen und seinen Namen zu nennen, schloß ich meinen Bericht.
Strickland hörte mir schweigend zu, bestellte das Essen, und da es ein ordnungsmäßiges Mahl war, serviert auf einem weißen Tuch, setzten wir uns zu Tisch, wie es sich gehört. Um 9 Uhr ging Strickland schlafen. Ich war ebenfalls müde. Tietjens, die unter dem Tisch gelegen hatte, verfügte sich mit einem Satz in den am meisten geschützten Teil der Veranda, als sich ihr Herr in sein Schlafgemach begab, das an ihr eigenes Staatszimmer angrenzte. Wenn etwa eine Frau es vorgezogen hätte, draußen im strömenden Regen zu schlafen, wäre das weiter nicht von Belang gewesen, aber Tietjens war eine Hündin und somit wertvoller. Ich sah Strickland erwartungsvoll an, ob er sie nicht mit der Peitsche zurückholen würde, aber er lächelte nur entsagungsvoll, etwa wie ein Ehemann, der sich keinerlei Gewalt über die Hauswirtschaft anzumaßen getraut. »Sie hat es so gehalten, seitdem ich hier eingezogen bin. Laß sie«, sagte er.
Tietjens war schließlich Stricklands Hündin und nicht meine, und daher schwieg ich. Aber daß es Strickland keineswegs paßte, so leicht über die Sache hinwegzugehen, fühlte ich deutlich. Tietjens schlug ihr Lager draußen vor dem Fenster meines Schlafzimmers auf. Sturmbö folgte auf Sturmbö und fegte donnernd über das Dach; schwand dahin. Blitze spritzten über den Himmel, wie Eier, die an ein Scheunentor geworfen werden. Nur nicht so gelb. Mehr blaßblau. Durch die Ritzen meiner Bambusjalousie konnte ich erkennen, daß die große Hündin regungslos draußen in der offenen Veranda stand, die Rückenhaare gesträubt, die Füße wie angewurzelt. Die Sehnen gespannt, wie die Drahtseile einer Kettenbrücke. Während der kurzen Pausen des Donners versuchte ich einzuschlafen, hatte aber immerwährend das Gefühl, irgend jemand wolle mich davon abhalten und verlange etwas von mir. Wer es auch sein mochte, er versuchte, mich beim Namen zu rufen. Aber seine Stimme ging stets in ein lautloses Flüstern über. Der Donner hörte auf, Tietjens ging in den Garten, heulte den Mond an. Jemand versuchte, meine Tür zu öffnen, wanderte auf und ab im Haus, stand schwer atmend in der Veranda still. Ich war kaum eingeschlafen, da bildete ich mir ein, wildes Hämmern und Geschrei über meinem Kopf - oder war es an der Tür? - zu hören.
Ich stürzte in Stricklands Zimmer und fragte, ob er krank wäre oder mich gerufen hätte. Er lag, halb angekleidet, auf seinem Bett, die Pfeife im Munde. »Ich hab mir's gleich gedacht, daß du kommen würdest«, sagte er. »Bin ich
Weitere Kostenlose Bücher