Dunkles Indien
der Polizei dem eingeborenen Hauswirt den Bungalow ab. Das geschah, bevor er sich mit Miss Youghal verlobte und noch seinen Forschungen über das Leben und Treiben der Eingeborenen oblag. Seine eigene Lebensführung war sonderbar genug, und so mancher hat sich über seine Manieren und Gewohnheiten beklagt. Nahrungsmittel waren in seinem Hause stets reichlich vorhanden, aber eine regelmäßige Essenszeit gab es nicht; im Stehen, oder auf und ab gehend, aß er, was gerade auf dem Serviertisch stand, und das behagt nicht jedem. Sein Wohnungsschmuck bestand aus sechs Doppelflinten, drei Schrotbüchsen, fünf Sätteln und einer Sammlung steifgesplißter Mahseer-Angelruten, die noch viel dicker und stärker sind als die, mit denen man die größten Lachse fängt. Diese Dinge nahmen die eine Hälfte des Bungalows ein, die andere war für Strickland - und Tietjens reserviert, eine riesige Hündin aus Rampur, die täglich die Ration von zwei Männern verschlang. Sie sprach mit Strickland ihre eigene Sprache, und wenn sie draußen beim Umherstreifen etwas bemerkte, was nach ihrer Ansicht den Frieden Ihrer Majestät, der Kaiserin und Königin, hätte stören können, so kehrte sie zu ihrem Gebieter zurück, um Bericht zu erstatten; Strickland verfügte sodann auf der Stelle die erforderlichen Geldstrafen oder Gefängnis für die betrübten Schuldigen. Die Eingeborenen hielten infolgedessen Tietjens für eine Art dienstbaren Hausgeist und bezeigten ihr jene Art Hochachtung, die sich aus Haß und Furcht zusammensetzt. Ein Zimmer im Bungalow war eigens für sie bestimmt, und außerdem nannte sie eine Bettstatt, eine wollene Decke und einen Trinktrog ihr eigen. Wenn jemand des Nachts Stricklands Gemächer betrat, liebte sie es, den Eindringling zu Boden zu werfen und so lange zu heulen, bis Licht gebracht wurde. Strickland dankte ihr sein Leben; als er sich einmal in den Grenzgebieten aufgehalten hatte, schlich ein Mörder, den er dingfest machen wollte, in der Dämmerung in sein Zelt, ein Messer zwischen den Zähnen, um ihn in ein Land zu befördern, das noch jenseits der Andamaneninseln liegt; aber Tietjens packte den Kerl und verhalf ihm dadurch zu einem streng gesetzmäßigen Ende am Galgen. Seitdem trägt sie ein dickes silbernes Halsband und hat ein Monogramm auf ihrer Bettdecke. Diese Decke ist aus doppeltem Kaschmirstoff, denn Tietjens hält viel auf dergleichen.
Unter keinen Umständen litt sie, daß man sie von ihrem Herrn trennte. Als Strickland einmal an Fieber darniederlag, bereitete sie den Ärzten große Verlegenheiten; sie konnte ihrem Herrn zwar nicht helfen, aber sie duldete auch nicht, daß ihm andere hülfen. Macarnaght vom indischen Sanitätskorps mußte ihr erst eins mit dem Gewehrkolben über den Schädel geben, ehe sie zur Einsicht kam, daß die Ärzte mit dem Chinin den Vortritt hätten.
Kurz nachdem Strickland Imrays Bungalow bezogen hatte, führten mich meine Geschäfte zu der Station, und da die Klubquartiere überfüllt waren, mietete ich mich bei ihm ein. Es war ein solid gebauter Bungalow, mit acht Räumen und mit einem guten Dach versehen, so daß kein Regen durch konnte. Innen hing eine Art Baldachin als Schutzdecke quer über dem Wohnraum, sauber wie ein getünchter Bewurf. Der Hauswirt hatte sie frisch übermalen lassen, bevor Strickland einzog. Wer die Bauart indischer Bungalows nicht kennt, hätte schwerlich vermutet, daß über diesem weißen, gespannten Tuch die dunkle dreieckige Höhlung des Dachstuhls lag, bewohnt von Ratten, Fledermäusen und anderem ekelhaften Ungeziefer.
Tietjens empfing mich in der Veranda mit einem Gebell, dröhnend wie die Glocke der St.-Pauls-Kirche, und legte mir als Zeichen der Freude und des Wohlwollens die Pfoten auf beide Schultern. Strickland hatte sich aus Töpfen und Tellern eine Art Frühstück zusammengekratzt, eilte aber, kaum daß er es hinuntergewürgt hatte, sofort zu seinen Berufsangelegenheiten und ließ mich mit Tietjens und meinen Gedanken allein. Die Hitze des Sommers war vorüber und hatte dem warmen Dunst der ersten Regenzeit Platz gemacht. Kein Lüftchen regte sich, aber der Regen fiel Ladestöcken gleich auf die Erde herab, sich beim Wiederemporspritzen in einen blauen Nebel verwandelnd. Der Bambus, die Zuckeräpfelbäume, die Pointsettias und die Mangobäume standen unbeweglich und ließen sich von dem warmen Wasser überrieseln, derweilen die Frösche in den Aloehecken dazu sangen. Kurz vor dem Dunkelwerden, als der Regen am heftigsten
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