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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
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fangen? Soll der Mensch zusehen und verhungern, wann ihm eine übern Weg lauft? Ich möcht halt gar so gern den Degumber Radscha packen wegen der Gschicht mit der Witwe seines Vaters und ihm eins auswischen.«
    »Was hat er denn mit der Witwe seines Vaters angefangen?« – wollte ich wissen.
    »Ach Gott, mit rotem Pfeffer hat er sie halt angefüllt und dann, wie sie an einem Balken gehängt hat, totgeprügelt. Ich hab das herausgeschnüffelt; ich bin überhaupt der einzige Mensch, der's weiß und sich getraut, hinzugehen in seinen Staat und ihm ein gehöriges Schweigegeld herauszuziehen. Man wird natürlich versuchen, mich zu vergiften, wie schon einmal in Chortumna, als ich Beute machen ging. Aber werden Sie meinen Auftrag in Marwar dem mit dem roten Bart auch gut ausrichten?«
    In einer kleinen Station stieg er aus, und ich überließ mich meinen Gedanken. Des öftern schon hatte ich von Leuten gehört, die es lieben, sich als Zeitungskorrespondenten auszugeben, um kleinen Eingeborenenstaaten unter Androhung von allerhand skandalösen Enthüllungen zur Ader zu lassen, aber begegnet war ich bisher noch keinem aus dieser Kaste, Sie führen ein hartes Leben, das wußte ich, und erleiden oft einen schnellen Tod. - Die Eingeborenenstaaten haben nämlich einen heillosen Respekt vor englischen Zeitungen und leben beständig in der Furcht, durch sie könnten gewisse Regierungsmethoden an den Tag kommen, die das Licht nicht recht vertragen; deshalb tun solche Staaten ihr Bestes, sich Korrespondenten mit Champagner oder sonst welchen das Bewußtsein gründlich störenden Flüssigkeiten vom Halse zu schaffen; sie haben keine Ahnung, daß es niemand auch nur im Traume einfällt, sich um interne Staatsangelegenheiten zu kümmern, solange Unterdrückung und Verbrechen sich in verschämten Grenzen halten und der betreffende Regent nicht gerade vom 1. Januar bis 31. Dezember ohne Unterbrechung besoffen oder sonstwie unzurechnungsfähig ist. In diesen dunklen Flecken der Erde herrscht gewöhnlich eine alles Maß übersteigende Grausamkeit; auf der einen Seite laufen Eisenbahnen und Telegraph, auf der anderen Seite herrschen die Zustände aus den Tagen Harun al-Raschids. Bei mir standen die Sachen so: einmal hatte ich Geschäfte mit Königen, und in acht Tagen wechselte das Bild auf schier unglaubliche Weise. Einmal trug ich Abenddreß, verkehrte mit Fürsten und Politikern, trank aus Kristall und speiste aus Silber, das nächste Mal schlief ich auf dem Boden in Lumpen, wie ein Kuli, verschlang Kräuter und Quellwasser. Wie es eben der Tag so mit sich brachte.
    Jetzt hatte ich mir die Große Indische Wüste auserkoren und die Eisenbahn setzte mich in Marwar ab - mitten in der Nacht - von wo eine winzige, lächerliche »Gehste-oder-gehste-nicht«-Lokalbahn, von einem Eingeborenenheizer gelenkt, nach Jodhpur rattert. Der Bombay-Expreß macht halt, wenn er von Delhi kommt, in Marwar. Er fuhr gerade ein, als ich ankam, ich fand kaum Zeit, übers Geleise zu laufen und die Kupees zu durchsuchen. Zum Glück gab es nur einen Zweiteklaß-Waggon. Ich zog das Fensterrouleau hoch und erblickte einen roten Bart, der wie eine Flamme leuchtete und zur Hälfte mit einer Eisenbahndecke verhüllt war. Kein Zweifel: das war mein Mann, tief schlafend, wie angekündigt. Ich versetzte ihm einen gelinden Rippenstoß, den er mit einem Grunzen quittierte, worauf sein Antlitz auftauchte. Es war groß und strahlend.
    »Schon wieder die Billetten!« brummte er.
    »Nein«, sagte ich. »Ich soll Ihnen ausrichten: er ist die Woche über im Süden!«
    Der Zug begann sich wieder in Bewegung zu setzen. Der Rotbart rieb sich die Augen.
    »Hm, also im Süden ist er diese Woche!« wiederholte er vor sich hin. »Das sieht ihm wieder mal ähnlich. Hat er gesagt, ich soll Ihnen was geben? Paßt mir gar nicht.«
    »Hat nichts gesagt«, gab ich zur Antwort, sprang rasch ab und blickte den roten Lichtern des Zuges nach, wie sie rasch in der Ferne entschwanden. Es war schauderhaft kalt, denn der Wind wehte von der Wüste herüber; ich kletterte wieder in meinen eigenen Zug; diesmal war's kein »Schindluder-Kupee«, und ich streckte mich zum Schlafen aus.
    Hätte mir der Mann eine Rupie als Trinkgeld gegeben, ich würde sie als Erinnerung an dieses sonderbare Erlebnis mir aufgehoben haben, so aber mußte ich mich mit dem Bewußtsein als Lohn begnügen, mein Versprechen eingelöst zu haben.
    Später sagte ich mir: Wenn zwei Gentlemen, wie meine beiden Freunde, sich, als

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