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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
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Zeitungskorrespondenten verkleidet, auf die Walz und auf Schwarzfahrten nach Zentralindien und die kleinen Rattenfallenstaaten von Süd-Radschputana begeben, so wandeln sie wahrscheinlich nicht auf einwandfreien Wegen und müssen gewärtigen, daß ihnen allerhand ernste Unannehmlichkeiten zustoßen; ich wollte deshalb bei ihrer Personalitätsbeschreibung sehr vorsichtig sein - insbesondere Leuten gegenüber, von denen ich annehmen durfte, daß sie sich für sie interessierten. Wie ich später erfuhr, war es mir gelungen, sie von einem Ausflug ins Degumber-Gebiet abzuhalten.
    Dann ging mir die Gelegenheit noch mehr im Kopf herum, und ich begab mich in die Redaktion meiner Zeitung, die sämtliche »königlichen« und sonstigen Tagesfragen in Evidenz hielt. Eine Zeitungsredaktion übt eine merkwürdige Anziehungskraft auf alle erdenklichen Arten von Menschen aus, die keine Ahnung von Disziplin haben. Zenana-Missionsdamen finden sich ein und verlangen, daß der Herausgeber des Blattes auf der Stelle alles stehen- und liegenläßt, um einen Artikel über ein Preisausschreiben der Christengemeinde in irgendeiner Religionsbude eines vollkommen unerreichbaren Gebirgsdorfes zu verfassen; Oberste, die das Kommando beim Avancement übergangen hat, sitzen herum und skizzieren Entwürfe für zehn, zwölf oder vierundzwanzig Leitartikel über das Thema: »Altersrangklasse oder willkürliche Beförderung?«; auf dem trockenen sitzende Theatergesellschaften treten vollzählig an und geben die Erklärung ab, sie könnten zur Zeit zwar nicht die Kosten eines Inserates bestreiten, interessierten sich jedoch brennend dafür, sobald sie von Neuseeland oder Tahiti zurückkämen; Erfinder- und Patentinhaber von selbsttätigen Punkah-Fächelmaschinen, Waggonkuppelungen, unzerbrechlichen Schwertern und Achsenwellen nehmen, alle Taschen voll mit Spezialzeichnungen, Stunden für sich in Anspruch; Teegesellschaften dringen in das Büro ein und arbeiten mit Redaktionsfedern Prospekte aus; Sekretäre von Ballkomitees wünschen dringend, daß der Glanz dieses oder jenes Schlußtanzes prunkvoller geschildert werde; fremde Ladys rauschen herein und zwitschern: »Ich muß sofort hundert Damenkarten haben!« - denn sie zu beschaffen, ist doch selbstverständlich die Aufgabe einer Zeitung! - zum Schluß verlangt dann irgendein streunender Berufsraufbold von der Gasse eine Anstellung als Korrekturenleser. Die ganze Zeit über klingelt rastlos das Telephon, Könige auf dem Kontinent werden ermordet, Kaiserreiche schmeißen um, Mister Gladstone bestreut die Britischen Dominions mit Bimssteinpulverphrasen, und die kleinen schwarzen Zeitungsjungen summen wie müde Bienen ihr kaa-pi chay-ha-ye?[Blatt gefällig?] durcheinander. Am nächsten Morgen aber ist die Zeitung so blank wie der Schild der Jungfrau von Orleans.
    Doch dieses Treiben ist noch der weitaus unterhaltlichste Teil des Jahres. Es gibt nämlich noch sechs weitere Monate, wo zwar niemand erscheint und Wünsche vorträgt, aber das Thermometer Zoll um Zoll steigt, bis kein Platz mehr in der Röhre ist. Dann herrscht eine Dunkelheit im Redaktionszimmer, daß man kaum mehr lesen kann, die Druckereimaschinen fühlen sich an wie glühendes Eisen, und nur noch Berichte über Vergnügungsveranstaltungen in den Gebirgsstationen oder Todesanzeigen erscheinen. Zu solchen Zeiten wird das Telephon zum Schreckensverbreiter: man liest vom plötzlichen Hinscheiden von Männern und Frauen, die man genau gekannt hat, die herrschende Hitze ist so ziemlich die einzige Kleidung, die der Berichterstatter trägt, wenn er in seinem Stuhl sitzt und schreibt: »Aus dem Khuda-Janta-Khan-Distrikt wird gemeldet, daß die herrschende Krankheit in leichter Zunahme begriffen ist. Sie kommt meist sporadisch vor und dürfte dank den energischen Bemühungen der Distriktsautoritäten bald erlöschen, immerhin müssen wir mit Trauer feststellen, daß XYZ uns durch den Tod entrissen wurde, etc.«
    Später bricht dann die gemeldete Epidemie mit Heftigkeit aus, und je weniger das Blatt darüber meldet, desto besser hat es der Leser, denn es stört seinen Frieden nicht. Die Könige und Kaiser hingegen verharren wie früher in Selbstsucht und Rücksichtslosigkeit: sie sterben und schmeißen um; der Redakteur meint, öfter als einmal des Tages brauche das Blatt doch wahrhaftig nicht zu erscheinen, aber das Publikum in den Bergstationen ist anderer Ansicht - mitten im angeregtesten Lesen ruft es: »Gott im Himmel, warum bietet die Zeitung

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