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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
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nüchtern. Ich gab also jedem einen lauwarmen Whisky mit Soda.
    »So weit gut«, sagte der Garnehan mit den Augenbrauen und wischte sich die Tropfen vom Schnurrbart, »laß jetzt mich reden, Dan! Wir haben ganz Indien bereist, meistens natürlich zu Fuß. Wir sind Kesselflicker gewesen, Lokomotivführer, Kleinlieferanten und so. Kurz: mir hamm herausgefunden, daß Indien für Leute wie wir nicht groß genug is.«
    Allerdings, das Wartezimmer war für die beiden nicht groß genug; Carnehans Schultern füllten die eine Hälfte des Raumes aus, und Dravots Bart die andere, wie sie so um den Riesentisch herumsaßen. Carnehan fuhr fort: »Die halbe Gegend freilich is noch nicht ausgebeutet, denn die, wo die Regierung in der Hand haben, lassen einen nicht hinein. Sie verschwenden ihre ganze Zeit mit Regieren und lassen einen nicht das Schwarze unterm Nagel verdienen; nix kannst unternehmen, nicht einen Brocken kannst auflesen, ohne daß das Gouvernement nicht sofort schreit: ›Schau, daß d' weiterkommst! Regiern tun mir!‹ Daher ham mir beschlossen, wir kehren ihnen den Rücken und suchen uns einen Ort, wo der Mensch noch kein Herdentier ist und zu sich selber kommen kann. Wir sind keine Krüppel, in keiner Hinrichtung, und fürchten nichts auf der Welt außer das Saufen; aber diesbezüglich haben mir bereits einen Kontrack mit einander abgeschlossen. No, was soll ich lang reden: mir haben vor, Könige zu werden!«
    »Könige nach unserer eigenen Verfassung!« murmelte Dravot.
    »Wir sind weder betrunken, noch hamm mir den Sonnenstich. No und - überschlafen haben mir die Idee ein halbes Jahr lang. Was mir brauchen, sind Landkarten und Atlasse; mir hamm uns nämlich überlegt, daß es nur einen Ort auf der Erde gibt, wo zwei starke Männer wie wir ›sarawacken‹ können. Mer heißts im Volksmund: Kafiristan, Meiner Ansicht nach liegt's gleich rechts von Afghanistan, höchstens dreihundert Meilen von Peshawur entfernt. Sie haben dort zweiunddreißig Götzenbilder, und wir werden das dreiunddreißigste und das vierunddreißigste sein. Es is eine gebirgige Gegend, und die Weiber sind wunderschön.« - »Halt!« rief Carnehan, »das ist gegen den Kontrack! Weiber und Schnaps gibt es nicht, Daniel!«
    »Das is alles, was mir wissen«, fuhr Dravot fort, »außer höchstens, daß noch kein Mensch nicht dort war, und daß dort immer gekämpft wird. Aber, wo gekämpft wird, da is auch jemand nötig, der die Leute abrichtet, und das verstehen mir besser als irgendeiner. Wir werden also in diese Gegend gehen und, wenn wir dort einen König treffen sollten, ihm sagen: ›Willst d' deine Feinde schlagen?‹, und dann werden wir ihm zeigen, wie man Leute abrichtet. Dann werden wir ihn stürzen und selber den Thron besteigen und auf eigene Faust eine Dünastie gründen.«
    »In Stücke wird man euch reißen, noch ehe ihr fünfzig Meilen über der Grenze seid!« rief ich. »Ihr müßt durch Afghanistan, um in jene Gegend zu gelangen. Es ist ein Gebiet voller Berge und Gletscher, und noch nie ist es einem Engländer gelungen, hinzukommen. Die Menschen sind dort wie die wilden Tiere, aber selbst, wenn ihr hinkämet, würdet ihr nichts ausrichten.«
    »So was hör ich gern«, sagte Carnehan. »Halten S' uns nur für verrückt! Das macht uns einen Mordsspaß. Aber mir sind hier, damit Sie uns ein Buch über die Gegend zu lesen geben und uns Landkarten zeigen. Von mir aus sagen S': mir sin Narren, aber zeigen S' uns Ihre Bücher!« Und er stand auf und ging zum Bücherschrank.
    »Ja, meinen Sie denn das alles im Ernst?« fragte ich erstaunt.
    »Freilich, allerdings«, flötete Dravot. »Und eine recht große Landkarten muß es sein, auch wenn alles drauf weiß ist, wo Kafiristan liegt. Und bitte, alle Bücher, die Sie haben! Lesen können mir, wenns auch mit der Schulbildung hapert.«
    Ich sperrte den Schrank auf, nahm die große Strategische Karte heraus und zwei kleinere Grenzgebietlandkarten, sowie den Band »Inf - Kan« der Encyclopädia Britannica und legte es den beiden vor.
    »Da, hier!« sagte Dravot und preßte seinen Daumen auf die Karte. »Hinauf nach Jagdallak. - Peachey und ich kennen den Weg. Mir waren dort mit der Armee von Lord Roberts. - Mir müssen dann bei Jagdallak rechts nüber ins Laghmann-Territorium. Nachher gehts übers Gebirg - vierzehntausend Fuß - fufzehntausend Fuß -, eine kalte Gschicht wird des werden; aber nach der Karten scheints net sehr weit.«
    Ich gab ihm Woods Werk über die Quellen des Oxus.

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