Dunkles Licht
Er war wie ein vornehmer Herr gekleidet, obwohl seineStrümpfe Falten geworfen hatten und seine Weste unbequem straff um die Schultern lag. Mehr als wahrscheinlich hatte er nie in seinem Leben solche Kleidungsstücke getragen, bis sie aus dem Schrank von irgendwem eben an diesem Nachmittag herausgezogen worden waren. Sein rotgoldener Bart war kurz geschnitten und kaum erkennbar auf einem Gesicht, das bereits vom Pflügen sonnenverbrannt war. Selbst seine Fingernägel waren sauber, also hatte sich jemand über ihn hergemacht. Er trat vorsichtig heran und beäugte dabei den Pater und den Graf gleichermaßen wachsam.
»Hallo, Sam«, sagte Maddy. »Du bist ganz schön erwachsen geworden.«
Er hatte nicht erwartet, dass sie als Erste das Wort ergreifen würde. Überrascht blinzelte er; er wollte sich schon mit der Hand an die Stirn greifen, bevor ihm einfiel, es zu unterlassen. Er verneigte sich unbeholfen.
»Das Licht sei mit Euch, Jungfer Madeline.«
»Aha, ihr kennt einander?« Der Graf tat, als ob das eine Überraschung wäre.
Sam nickte. Maddy bedauerte ihn. Sie entschloss sich, diesem höflichen Unsinn ein Ende zu setzen.
»Sam, mein Bruder Rollo steckt in Schwierigkeiten. Wie ich die Angelegenheit verstehe, schlägt seine Lordschaft vor, dass du und ich heiraten, damit du, sein Sohn, Rollos Schwager wirst. Dann könnte er aufgrund familiären Einflusses leichter davonkommen. Womit verdienst du dir heutzutage deinen Lebensunterhalt?« Vater sollte solche Fragen stellen, aber er war im Augenblick außerstande, dieses Spiel mitzumachen.
»Arbeite in den Steinbrüchen, Jungfer. Meistens. Pflüge manchmal.«
»Also musst du, um mir den Lebensstil zu ermöglichen, an den ich gewöhnt bin, mit Ländereien ausgestattet werden, die mir als Mitgift dienen. Das ist der Plan?«
Sam nickte. Mit seinem goldenen Haar und den Augen von der Farbe blassen Saphirblaus war er der perfekte Sohn des Lichts. Niemand würde ihn je verdächtigen, einer der Kinder der Mutterzu sein. Gewiss war er ungebildet, jedoch nicht dumm. Er ließ sich von Maddy durch dieses unvertraute Labyrinth führen.
»Hast du bestimmte Ländereien im Sinn?«
Sam sah erst den Graf bittend an, der ermutigend nickte, dann den Pater, der ihn bloß anfunkelte. »Man hat mir gesagt, ich soll um Bakenbeck bitten, Jungfer.«
Bakenbeck umfasste siebenundneunzig Lahn. Das war ein gutes Drittel von Vaters gesamtem Grundbesitz und der größte Teil an fruchtbarem Boden. Das Haus war klein und heruntergekommen, aber das ließ sich ändern. Es lag keine Wegstunde von Haus Woodbridge selbst entfernt. Maddy wäre ihrer Familie nahe und müsste nicht weggehen und in der stinkenden Stadt leben. Der Gedanke an Weypool brachte sie auf Guy Rowthorn. Körperlich wäre Sam zweimal der Mann wie Guy. Sie hegte keine Zweifel, dass Sam Stroud seine Pflichten im Bett erfüllen könnte.
Maddy sah sich unter den Versammelten um, und alle warteten nach wie vor auf sie – die beiden Uptrees mit zynischer Belustigung, Vater mit kaum unterdrückter Wut, Mutter bleich, Sam schwitzend und völlig aus seinem Fahrwasser geraten.
»Denkst du immer noch so wie vor zwei Jahren, Sam?«
Jetzt waren sie in einem Wasser, das er verstand. Seine Augen leuchteten auf. »Noch mehr. Ihr fühlt immer noch so wie damals, Maddy?«
Vater fuhr zusammen. Den Teil der Geschichte hatte er noch nie gehört.
Worauf wartete sie? Das war ihre einzige Hoffnung, Rollo zu retten, und sie hätte es schlimmer treffen können als mit Ackermann Stroud. Vielleicht könnte sie sogar etwas aus Sam machen.
»Ich glaube, du bittest besser meinen Vater um meine Hand, bevor ich darauf eine Antwort gebe.«
Sam straffte die Schultern, wobei Nähte rissen. »Junker Woodbridge … möchte Eure Tochter heiraten, Herr. Glaube, sie möchte mich heiraten.«
»Anscheinend«, sagte Vater heiser. »Du bist einverstanden, Maddy?«
Sie nickte. Vor zwei Jahren, zur Erntezeit, hatte sie zu Sam Stroud gesagt, es gefiele ihr, wie das Sonnenlicht die Haare auf seiner Brust zum Glänzen brachte. Sie war noch nicht ganz außer Hörweite gewesen, als einer der anderen Jungen Sam gefragt hatte, ob er »der je zwischen die Beine gegangen war«, und Sam hatte erwidert: »Bald!« Gerade da war Vater hinter den beiden entlanggekommen und hatte es gehört. Innerhalb von Minuten hatte Sam auf der Straße gestanden.
Agnes umarmte wild ihre Tochter. Sie weinte, was noch nie zuvor geschehen war. Vater schüttelte Sam die Hand. Sam war
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