Dunkles Licht
Morgen.«
»Möge das Licht mit Euch gehen, William.«
Rollo bot keinen Segen. Sie gingen hinaus, durchquerten eine Halle. Stunden des Schreckens fielen von ihm ab wie Blätter von einem herbstlichen Baum. Zwei Füsiliere folgten ihnen nach unten, dann hinaus auf einen Hof, wo sie ihre wartenden Pferde bestiegen. Ein Tempelstallknecht öffnete die Tür der wartenden Kutsche.
»Ich muss Euch warnen, Privatsekretär, dass ich die Hälfte der Flöhe Weypools mitbringe.«
»Ich erwarte die Rechnung der Kirche dafür. Steigt ein – rasch, bevor er es sich anders überlegt.«
Erst als die Kutsche über die dunkler werdenden Straßen klapperte, vermochte Rollo wirklich zu glauben, dass er wieder frei war. Oder tauschte er nur gerade einen Fänger gegen einen anderen aus?
»Ich bin äußerst dankbar für diese Befreiung, Privatsekretär. Darf ich fragen, welchen Arm Ihr verdreht habt?«
In der Kutsche war es dunkel, aber Kippings Worte klangen eindeutig angewidert. »Jahrelang habe ich die Beweise gegen die Brüder Uptree gesammelt, einen schrecklich stinkenden Haufen davon. Als ich … als ich zum ersten Mal mit Eurer Schwester sprach, habe ich ihr versprochen, dass sie mir dabei helfen könnte, die beiden zu vernichten. Sie wäre tatsächlich eine der wenigen überlebenden Zeugen gegen sie, denn diese Unglücklichen haben eine Neigung, sich der Reichweite der Vorladung seiner Majestät zu entziehen.«
Wirklich? Also war Kippings Interesse an Maddy von einem Verlangen geprägt gewesen, eine wichtige Zeugin zu bewahren, oder hatte er sie mit einem Angebot der Rache bestochen? Offenbar teilten sie eine gegenseitige Zuneigung, aber Rollo hatte sie noch nicht genügend lange in der Gesellschaft des anderen beobachtet, um zu wissen, wie tief diese Gefühle waren.
»Heute Abend«, sagte Kipping, »habe ich diese Beweise zum Tempel gebracht, um Euch von Oberhaupt Hierarch Garrett Uptree auszulösen.«
»Aua!«, sagte Rollo. »Ihr wollt sagen, der Preis für meine Freiheit besteht darin, diese beiden Verbrecher der Gerechtigkeit entkommen zu lassen?«
Kipping kicherte leise im Dunkeln. »Eine Weile lang hat es so ausgesehen, aber mir wurde der Zutritt zum Krankenlager des Oberhaupts verwehrt – wahrscheinlich, weil er sich dort mit jemandem vergnügte, ich weiß es nicht. Stattdessen habe ich sie dem Erhabenen Eastwell übergeben, der ausgesprochen ehrgeizig ist. Er hat den Handel abgeschlossen.«
»Aha! Also geht Ihr davon aus, dass Oberhaupt Uptree ziemlich bald von seinem Amt zurücktritt?«
»Sehr bald, sollte ich meinen. Aus Gesundheitsgründen. Er ist bei der Explosion verletzt worden, vergesst das nicht. Und er wird der Kirche zweifelsohne großzügige Spenden zukommen lassen.«
»Und sein Bruder?«
»Er verfügt jetzt nicht mehr über den Schutz des Königs. Die Hierarchie würde den Kronrat liebend gern dadurch in Verlegenheit bringen, dass sie eines seiner Mitglieder bloßstellt.«
»Dann billige ich die Übergabe, glaube ich«, sagte Rollo ernst. Was ohne Belang war. »Aber da Ihr mich jetzt erworben habt, Herr, was habt Ihr mit mir vor?«
»Ich bin dabei, Euch nach Haus Caverleigh zurückzubringen, wo Euer Weib zweifellos besorgt auf Eure Rückkehr wartet. Es werden Vorkehrungen getroffen, Euch beide nach Xennia zu bringen, damit Ihr unversehrt bleibt.«
Diese Worte hatte Rollo befürchtet.
»Privatsekretär, so dankbar ich Euch bin – ich habe Verpflichtungen hier in Albi. Schwierige Zeiten liegen vor uns. Ich kann meine Herde nicht im Stich lassen.«
»Ja, ich befürchte, uns stehen wahrlich Probleme bevor, aber bei deren Lösung könnt Ihr nicht helfen. Sie werden Euch jetzt nicht mehr trauen. Ich habe Eastwell versichert, Ihr wäret unser Spion unter den Kindern gewesen, seitdem wir Euch aus Schweinetrog ›entkommen ließen‹. Ja, ich habe gelogen, aber Euer Ruf war sowieso schon angekratzt. Ihr seid mit dem Prinzen im Palast gesehen worden. Ihr seid mit mir im Tempel eingetroffen. Ihr seid als Agent der Regierung gebrandmarkt, Prälat Hawke.«
Das war allerdings ein Tiefschlag. »Ich gebe zu, dass ich im Untergrund alles andere als beliebt sein werde, oder was davon übrig geblieben ist, aber die anderen werden Verständnis haben.« Noch während er diese Worte sagte, wurden sie in seinem Mund zu Staub.
»Sie werden Euch ein Messer in den Leib jagen und Euren Leichnam in den Katakomben verstecken. Und nur weil EastwellEuch heute Abend hat gehen lassen, glaubt ja nicht, dass die
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