Dunkles Nest 01 - Die Königsdrohne
reden, der nicht versucht, um mich anzuhalten oder etwas von mir zu verlangen.«
Jacen hatte sofort ein schlechtes Gewissen. »Aber. ich hin tatsächlich gekommen, um dich um einen Gefallen zu bitten Einen großen.«
»Ich weiß.« Tenel Ka drückte seinen Arm und beugte sich dichter zu ihm. »Das ändert nichts. Hapanische Adelige bitten nicht. Sie arrangieren es oder erzwingen es durch eine Intrige oder - wenn ich Glück habe - versuchen mich einfach nur zu überreden. Du würdest nicht glauben, was sie tun, damit man ihnen einen Gefallen tut.«
Jacen zog die Braue hoch. »Die Amputationen?«
»Fechtunfälle«. schnaubte Tenel Ka. Der Weg führte zu einem Dschungelteich mit Wasserfall und einer kleinen Insel, die aus dem grünen Wasser ragte. »Geht man nach der Anzahl der Arme, die in hapanischen Cyrogewölben aufbewahrt werden, haben die meisten meiner dummen Adligen keine Ahnung, wie man ein Schwert hält.«
Sie blieben am Rand des Teichs stehen, und Jacen beugte sich vor, damit man seine Stimme entlang des Weges nicht hören konnte. »Du weißt, dass wir nicht allein sind, nicht wahr?«
»Selbstverständlich.« Tenel Ka drehte sich um und hob die Stimme. »Verschwindet - oder ich werde Jacen bitten, euch auch noch die anderen Arme abzuschneiden!«
Die Adligen zogen sich rasch zurück, aber Jacen konnte spüren, dass sich die Wachtposten durch die Büsche näherten.
Tenel Ka seufzte. »Es gibt ein paar Dinge, die selbst eine Königinmutter nicht befehlen kann.« Sie zog einen ihrer Schuhe aus, dann wandte sie sich der Insel zu. »Stört es dich, wenn deine Füße nass werden?«
»Kein bisschen.« Jacen betrachtete die Zwanzig-Meter-Entfernung zu der Insel. »Nur die Füße?«
»Vertrau mir.« Sie zog ihn mit sich und ging aufs Wasser hinaus. Ihre Füße sanken bis zu den Knöcheln ein. »Tritt auf dieselben Stellen wie ich. oder es wird mehr als die Füße sein.«
Jacen tat, was sie sagte, und stellte fest, dass sich direkt unter der Oberfläche des trüben Wassers ein steinerner Pier befand.
»Der geheime Weg«, sagte Tenel Ka. »Es ist eine alte hapanische Verteidigungsanlage - und sie führt zum einzigen Ort, wo ich je wirklich allein sein kann.«
»Warum lässt du dir das gefallen?« Jacen folgte ihr einen Pfad mit scharfen, scheinbar zufälligen Wendungen entlang. »Diese dummen Adligen, meine ich?«
»Sie haben ihren Nutzen«, sagte Tenel Ka. »Ich gestatte jemandem, an meiner Seite zu sitzen, und beobachte dann, wer sich an ihn wendet.«
»Und das sagt dir was?«, fragte Jacen. »Wer etwas von dir will?«
»Alle wollen etwas von mir, Jacen.« Sie erreichten die Insel und nahmen einen mit Moosen bewachsenen Weg, der, wie Jacen annahm, selten von anderen Füßen als von denen Tenel Kas betreten wurde. »Aber wenn eine Familie nicht die Bündnisse wechselt, sobald ich die Favoriten wechsle, dann weiß ich: Das sind die Berater, auf die ich hören sollte.«
»Das klingt sehr. kompliziert«, stellte Jacen fest.
»Vorausberechnend«, verbesserte Tenel Ka. Sie führte ihn in einen Hain von Paan-Bäumen, dann setzte sie sich auf die einzige Bank dort. »So ist es nun mal hier auf Hapes, Jacen. Jeder erfüllt seinen Zweck.«
Er wusste, dass es ein Zeichen von Unhöflichkeit gewesen wäre, darum setzte er sich nicht einfach an das andere Ende der Bank. »Ich eingeschlossen?«
Tenel Ka wandte den Blick ab. »Selbst du. Jacen.« Sie tätschelte die Bank neben sich, dann sagte sie: »Nun werden sich die Häuser meiner Freier gegen dich zusammenschließen. Es wäre klug, aufzupassen, was du isst, solange du hier bist.«
»Danke«, sagte er. »Aber ich werde nicht lange bleiben.«
»Selbstverständlich nicht.« Tenel Ka hatte weiterhin den Blick abgewandt, aber Jacen spürte Tränen in ihrer Stimme. »Was brauchst du von uns?«
»Hast du Raynars Ruf gespürt?«, fragte er.
»Ja. Am Ende musste ich mich im Palast einschließen. Ich wusste nicht, woher er kam. Ich dachte, vielleicht.« Als sich Tenel Ka ihm zuwandte, war der Blick ihrer grauen Augen klar und ruhig, aber Tränen liefen ihr über die Wangen. »Ich habe gehört, dass eine Kolonie von Killiks den Chiss-Raum bedroht.«
In diesem Augenblick senkte sich das Gewicht von fünf Jahren Einsamkeit auf Jacens Herz, und er wollte nichts mehr, als Tenel Ka in die Arme zu nehmen und sie zu küssen.
Stattdessen sagte er: »Die Situation ist kompliziert.«
Er berichtete über seine Reise in die Kolonie, von seiner Ankunft auf Lizil über die
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