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Dunkles Verhaengnis

Dunkles Verhaengnis

Titel: Dunkles Verhaengnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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angrenzenden Fitnessraum. Gibbs’ Becher war mit kleinen Aufklebern übersät, die verkündeten, man habe es da mit WORLD’S BEST DAD zu tun und Ähnliches. Ein Geschenk seiner Kinder, erklärte er uns – zwei Wochen zuvor hatte seine Frau ihren Kram gepackt und war mit den Kindern nach Gary im beschissenen Indiana abgehauen.
    Wie es schien, spielte George in einer Countryband Bass, was wohl der ursprüngliche Stein des Anstoßes der Eheleute war und stellvertretend für all die anderen Dinge stand, die zwischen den Eheleuten schiefliefen und unausgesprochen blieben. »Es gibt keinen
Schwarzen mit Selbstachtung, der diese Bauerntrottel-Musik spielt«, pflegte seine Frau zu sagen. Zumindest musste er sich das jetzt nicht mehr anhören, sagte er. Scheiße, er mochte nun mal Country.
    George Gibbs war seit sechzehn Jahren dabei, hatte Tracy mir gesagt. Er war zuverlässig, und praktisch jeder schaute zu ihm auf, ein Mann, dem jeder bei der Polizei ohne Zögern sein oder ihr Leben anvertrauen würde.
    Ich erzählte ihm von Eldon und seiner Musik, und er lachte.
    »Banjo! Das schlägt ja wohl alles!«
    George hatte auf meine Anfrage bezüglich Isaiahs Freund Merle geantwortet. Der Besitzer eines Ladens für Gebrauchtmöbel schloss an jenem Morgen sein Geschäft auf und sah im Spiegel der Schaufensterscheibe was Verdächtiges auf der anderen Straßenseite. Ging also hin, um sich das genauer anzusehen. Ein Körper. Genau vor dem alten Farbengeschäft und ungefähr einen halben Block von der Kneipe entfernt, dem Roundup, so ziemlich das einzige Lokal in der Gegend, das abends geöffnet hatte.
    »Soweit wir das heute sagen können«, sagte Gibbs, »hat er dort gehalten, um sich nach dem Weg zu erkundigen. In diesem Teil der Stadt kann man sich leicht verfahren. Alles sieht gleich aus – und auf dem
Beifahrersitz lag eine halb entfaltete Karte … Sie wissen, wie das ist: Vielleicht gibt sich irgendwer im Roundup die Kante und fängt an zu reden. Vielleicht landet das irgendwann bei uns, aber wahrscheinlich nicht. Und vielleicht hatte es auch gar nichts mit dem Roundup zu tun. Ich kann Ihnen den Bericht raussuchen.«
    »Schon erledigt«, sagte Tracy.
    »Und? Gelesen?«
    »Noch nicht«, sagte ich. »Wollte es zuerst von Ihnen hören.«
    Gibbs nickte. Beifällig, anscheinend. »Es wurde drei-, viermal auf ihn eingestochen. Mit einem kleinen Messer, wahrscheinlich einem gewöhnlichen Taschenmesser. Die Gerichtsmedizin glaubt, dass der erste Stich in den Hals traf. Dann zweimal in die Brust, vielleicht auch dreimal.«
    »Brieftasche?«
    »Weg. Sie ist dann ungefähr einen Tag später bei uns gelandet, ein paar Kids fanden sie in einem Hauseingang, haben das Ding abgeliefert, weil sie dachten, es gibt vielleicht eine Belohnung. Kein Geld. Sah nicht so aus, als wäre irgendwas anderes mitgenommen worden.«
    »Aber das Auto haben sie zurückgelassen.«
    »Und die Schlüssel, lagen direkt neben ihm. Die
Sache ist, es hat eine Weile gedauert, bis er tot war. Kleines Messer, wie gesagt, und es ist schnell passiert, eher Schläge als Stiche. Er hätte daran nicht sterben müssen. Aber irgendwie ist bei einer der Brustverletzungen auch ein größeres Gefäß erwischt worden. Das Blut schoss nicht gerade heraus, aber es floss stetig. Als wir ihn fanden, lehnte er zusammengesackt an der Seite des Gebäudes, Schnürsenkel um die Oberschenkel gebunden. Die Jacke hatte er sich mit seinem Gürtel auf die Brust, über der Wunde gebunden.«
    »Er war Krankenpfleger, er wusste, was mit ihm los war. Versuchte, sich selbst zu versorgen, bis Hilfe eintraf.«
    »Genau, was der Gerichtsmediziner auch vermutet hat.« Gibbs trank seinen Kaffee aus und blickte in den leeren Becher. Dort war keine Antwort. So wie die Hilfe, auf die Merle vergeblich gewartet hatte.
    »War’s das?«, fragte Tracy, nachdem wir uns bei Gibbs bedankt hatten und wieder auf den Korridor hinausgegangen waren. Die Wände waren mit Anschlagtafeln gepflastert. »Fahren Sie jetzt wieder nach Hause?«
    Ich hatte ihr von der Sache mit Eldon erzählt; sie wusste, dass ich zurückfuhr.
    »Dann könnten Sie dem Department vielleicht einen Gefallen tun«, meinte sie.

    Vor der Asservatenkammer im Keller sprach sie kurz mit dem zuständigen Beamten, der ihr ein Klemmbrett reichte. Sie unterschrieb und reichte es mir zusammen mit ihrem Kuli. Officer Wakoski warf einen Blick auf die Unterschriften, verschwand dann in dem Labyrinth deckenhoher Regale und kehrte mit einem etwa fünfzehn mal

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