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Dunkles Verhaengnis

Dunkles Verhaengnis

Titel: Dunkles Verhaengnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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schüttelten sie kräftig durch, dass sie gegen die Seiten der Käfige prallten, pieksten sie mit langen Dornen, redeten mit ihnen. Ein Junge hatte sich einen Ligusterschwärmer ausgestopft – womit, das
erfuhren wir nie, aber es war eine schlampige Amateurarbeit, und das Ding sah aus wie ein Wesen aus einem dieser schlechten Horrorfilme. »Ist doch klasse«, sagte er, »es wird mich nie verlassen, wird nie sterben und mir niemals das Herz brechen.« Aber der Junge starb, erwischt von einem Heckenschützen, als er auf einer Routinepatrouille zum nächstgelegenen befreundeten Dorf war. Später an diesem Tag brachte Bailey den Käfig mit ins Gemeinschaftszelt. Er war Sergeant, wurde aber von niemandem so genannt, und er war vielleicht ein oder zwei Jahre älter als der Junge. Er stellte den Käfig auf den Tisch und sah ihn an, während er langsam zwei Becher Kaffee trank. Dann nahm er den Käfig, stellte ihn auf den Boden und zertrampelte ihn, machte ihn systematisch platt. Seine Stiefel waren völlig verrottet, wie die Stiefel von uns allen (wir hätten eben auf die Franzosen hören sollen), und die Füße darin verrotteten ebenfalls allmählich. Ein großes Stück schwärzliches Leder fiel ab und blieb dort neben den Überresten des Käfigs liegen, während Bailey seinen Becher zum Abfalleimer brachte.

Kapitel Sieben
    Zwei Tage später, an einem wolkenverhangenen, bitterkalten Donnerstag saß ich in einem Mannschaftsraum in Memphis und musste mir einen Vortrag anhören. Thema: welche Katze auf welche Türstufe pissen durfte.
    Ich sah mich um, betrachtete das Korkbrett mit den ordentlich aufgereihten Post-it-Zettelchen, dem Foto einer Familie aus irgendeiner Fernsehsendung aus den Fünfzigern (im selbstgetöpferten Rahmen) sowie das von der Southwestern University verliehene Diplom, während Sergeant Van Zandt seine Predigt über Zuständigkeiten und die Einhaltung von Dienstwegen vom Stapel ließ. Es war nicht viel anders als die Predigten, mit denen ich aufgewachsen war, von Bruder Douglas und seinen Nachfolgern, zu Hause in der First Baptist Church, mit ihren Buntglasfenstern, dem polierten Hartholzgestühl und dem roten Teppich, dick wie eine Bibel. Als Kinder, noch ganz benebelt von einer Stunde Sonntagsschule, gefolgt von einer weiteren Stunde Gottesdienst, inszenierten mein Bruder und ich unsere
eigenen Versionen solcher Predigten beim sonntäglichen Abendessen. Woody predigte, ich sagte wechselweise Amen, stachelte ihn an und brach vor Lachen fast zusammen. Gedrängt von unserer Mutter, sprach Dad schließlich ein halbherziges Machtwort und schickte uns vom Essenstisch fort.
    »Nettes Kabäuschen«, sagte ich, als Van Zandt pausierte, um Luft zu holen und den Kaffee zu trinken, der während seiner Tirade lauwarm geworden war. »Was ist los, hat das MPD am Ende einen solchen Verwaltungswasserkopf bekommen, dass ihnen die Büros ausgegangen sind?«
    Manchmal kann man sich’s einfach nicht verkneifen.
    Der Blick, den Tracy Cauldings mir zuwarf, und das angedeutete Lächeln sagte den Rest: Immer mehr Generäle, nie genug Soldaten.
    Tracy war allerdings nicht mehr bei der Polizei, sie war jetzt, du liebe Zeit, klinische Psychologin, hatte jedoch noch einen Fuß in der Tür. Sie war eine derjenigen, die das Department rief, um Beamte zu beraten und Gutachten über Verdächtige zu erstellen. Und sie war diejenige, die ich anrief, als ich in Memphis ankam.
    Als wir uns kennenlernten, studierte sie gerade Sozialarbeit, aber es stellte sich raus, dass die Sozialarbeit
nicht ihr Ding war. Bildlich gesprochen war sie bei ihrem ersten Job durch den Vordereingang rein-und sofort hinten wieder rausgegangen, zurück in die Hochschule. Mir kam sie wie einer dieser Menschen vor, die sich in Sprüngen durchs Leben bewegen, nie richtig Bodenhaftung haben, wie ein bunter Ball, der erst vor dem blauen Himmel und im Sonnenlicht richtig zur Geltung kommt.
    Wir hatten uns zum Frühstück in einem Lokal namens Tony Weezil’s getroffen, um uns bei fettigen Eiern und wässriger Maisgrütze auf den aktuellen Stand zu bringen, bevor wir ins Revier zurückkehrten, um weitere Beschimpfungen über uns ergehen zu lassen. Im Tony Weezil’s gab es ausschließlich Frühstück, es machte um sechs auf und schloss um elf. Immerhin, sagte Tracy und hob dabei ein Stück Ei so mit der Gabel hoch, dass ungekochtes Eiweiß und braunes Fett in gleichen Teilen auf den Teller zurückglitten, wenn eine Sache gut läuft, warum sie dann verpfuschen?
    Sie

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