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Dunkles Verhaengnis

Dunkles Verhaengnis

Titel: Dunkles Verhaengnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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aufmachte.
    »Sheriff.« Er trat zurück, um mich hereinzulassen.
    Auf dem Nachttisch stand eine Flasche Bourbon. Allem Anschein nach hatten die zwei sich innig Gesellschaft geleistet. Der Fernseher lief, eine Autoverfolgungsjagd vor einer Stadtkulisse, bei der die Rückprojektion nur zu deutlich erkennbar war, die Lautstärke so weit heruntergedreht, dass der gedämpfte Ton durchaus auch aus dem Nachbarzimmer hätte kommen können. Baxter war damit beschäftigt, auf der Kommode seine Hose auf einem feuchten Handtuch zu bügeln. Ein Bein war zurückgeschlagen, wie bei der Hose eines Invaliden. Er zog den Stecker des Reisebügeleisens, und wo er schon mal in der Nähe war, schnappte er sich auch seinen Drink.
    »Sie haben in der Stadt herumgeschnüffelt und Fragen gestellt.« Ich hatte es mir auf der breiten Fensterbank bequem gemacht. Er setzte sich aufs Bett. Wir waren etwa einen Meter voneinander entfernt.
    »Was wir halt so tun, nicht wahr, Sheriff?« Er
zuckte die Achseln. »Hab nicht versucht, irgendwas vor Ihnen zu verheimlichen. Wär ja auch ziemlich unwahrscheinlich, dass in einer Stadt von dieser Größe eine Neuigkeit alt genug wird, um Fliegen anzulocken.«
    »Und ich denke, das wussten Sie. Es war Teil Ihres Plans. Das war der Plan.«
    »Ach, der Plan.« Baxter hob sein leeres Glas und deutete damit auf die Flasche, bot mir auch einen an. Warum nicht? War ein langer Tag. Er fand noch einen Plastikbecher im Bad, füllte ihn zur Hälfte und brachte ihn mir.
    »Wir haben mit Ihren Leuten in Fort Worth gesprochen. Wie es aussieht …«
    »Ich hab Urlaub, Sheriff.«
    »Okay. Die haben es etwas anders ausgedrückt, aber höchstwahrscheinlich was Ähnliches gemeint. Das erklärt dann auch den nicht vorhandenen Haftbefehl und dergleichen. Die haben sorgfältig darauf geachtet, zu betonen – mehrfach –, dass Sie nicht in offizieller Mission hier sind.«
    Baxter lächelte.
    »Also«, sagte ich.
    »Also?«
    »Also darf man vermuten, dass etwas Persönliches dahintersteckt.«

    Er nahm einen tiefen Schluck von seinem Bourbon, bevor er antwortete. »Tut es, aber nicht so, wie Sie denken. In der Stadt hatte ich nicht den Eindruck, dass Sie besonders versessen darauf sind, mir zu helfen.«
    »Ich hatte keinerlei Informationen für Sie.«
    »Ich bitte Sie, Sheriff. Sie haben mir die kalte Schulter gezeigt, wollten nicht mit mir reden.«
    »Also haben Sie sich so verhalten, um sicherzustellen, dass ich es früher oder später tun würde.«
    »Na ja. Ich mache das schon eine ganze Weile. Man hat so seine Maschen.«
    »Was haben Sie gegen Eldon Brown in der Hand?«
    Baxter schüttelte den Kopf. »Um ihn geht’s überhaupt nicht. Es geht um Ron Nabors, den Detective, der ihn festgenommen und ihn zum einzigen Verdächtigen erklärt hat. Er sieht es noch immer so, was das betrifft.«
    »Sie haben Grund zu der Annahme, dass Nabors in die Sache verwickelt ist?«
    »Es geht hier wohl eher um Trägheit und schlechte Angewohnheiten.«
    »Aber was wollen Sie? Wollen Sie ihn fertigmachen?«
    »Das kann ich nicht. Und ich will es auch gar nicht. Aber Ihr Freund hatte mit dem Mord nichts
zu tun, und Big Ron kommt schon viel zu lange mit viel zu viel ungestraft davon. Scheiße, wir alle.«
    Ich war nicht nur so was wie ein Psychologe, ich war auch ein Cop, der schon so manches gesehen hatte, was zum Schlimmsten gehörte, das die Menschheit zu bieten hatte, und außerdem war ich ein Ex-Knacki, der aus nächster Nähe die verkorksten Anstrengungen der Gesellschaft erlebt hatte, Wohltätigkeit zu demonstrieren. Wenn man mir mit Altruismus kommt, reiß ich automatisch die Verpackung ab, um zu sehen, was zum Vorschein kommt. Aber ich sagte nichts.
    Baxter hob die Flasche und schenkte sich, als ich den Kopf schüttelte, den Rest ein.
    »Dass wir uns richtig verstehen, Sheriff. Ich bin hergekommen in der Hoffnung, Eldon Brown überreden zu können, mit mir zurückzukommen, sich zu stellen. Das ist der ganze Plan. Ich habe einen Punkt erreicht, an dem ich nicht mehr viel vom Leben erwarte. Kleine Siege. Kleine Belohnungen. Und das meiste davon für andere.«

Kapitel Neun
    »Ein Mann lehnt im Dschungel zusammengesackt gegen einen Baumstamm«, sagte mein alter Mentor Cy bei unserem einzigen Treffen, »oder an der Mauer einer Überführung oder eines Gebäudes mitten in der stinkvornehmen Innenstadt – und er stirbt. Und er denkt dabei Folgendes: Jetzt werde ich Gladys nie mehr sagen können, wie sehr ich sie liebte, ich werd’s nicht mal

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