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Durch den Schnee: Erzählungen aus Kolyma 1 (German Edition)

Durch den Schnee: Erzählungen aus Kolyma 1 (German Edition)

Titel: Durch den Schnee: Erzählungen aus Kolyma 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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des GULag-Wirtschaftsimperiums. Das extreme Klima und die unmenschlichen Arbeitsbedingungen führten dazu, daß die Gefangenen, die offiziell selbst bei minus 50 Grad, in der Realität jedoch auch bei noch niedrigeren Temperaturen arbeiten mußten, binnen weniger Monate regelrecht verbraucht wurden. Die von Alexander Solschenizyn für die »Besserungsarbeitslager« präzise gefundene Bezeichnung »Vernichtungsarbeitslager« traf in besonderem Maße für die Lager in dieser Region zu: Der Tod durch Arbeit – nicht nur durch Hunger, Kälte oder Erschießungen – lag im Kalkül der politischen Macht. In den Lagern kursierte nach 1945 das Stichwort von »Auschwitz ohne Öfen«. Die Kolyma-Region galt innerhalb des GULag-Imperiums als »Pol der Grausamkeit« und der Begriff Kolyma avancierte zum Symbol für das GULag-System.
    Kaum vorstellbar, daß jemand von den Häftlingen der unwirtlichen und eisigen Natur einen Reiz abgewinnen könnte. Und doch findet Schalamow für die »böse Taiga«, wie er sie in einem Vers nennt, in den Gedichten und in einigen »Erzählungen aus Kolyma« Sätze, die neben der Verlorenheit des Menschen in der Taiga auch die rauhe Schönheit der Natur anklingen lassen: »Die Bergkuppen waren weiß, leicht blaustichig, wie Zuckerhüte. Rund und unbewaldet, waren sie mit einer dünnen Schicht von kompaktem, vom Wind zusammengepreßten Schnee bedeckt.« Flora und Fauna hatten sich den klimatischen Bedingungen angepaßt. »Die Bäume sterben im Norden im Liegen wie die Menschen«, heißt es in einer Erzählung. Für den Menschen war ein Überleben kaum möglich, noch dazu, wenn er der Taiga hilflos und schutzlos ausgeliefert wurde.
    Insgesamt siebzehn Jahre sollte Schalamow in dieser Region zubringen müssen, denn 1943, das heißt noch im Lager wurde er wegen angeblicher systematischer »konterrevolutionärer Propaganda« unter den Gefangenen zu weiteren zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Überleben, das hätten alle verstanden, schreibt Schalamow später, konnte man unter diesen Bedingungen nur durch Zufälle. Er hatte Glück — nach endlosen Jahren in verschiedenen Goldminen und Lagern der Kolyma-Region, nachdem er als
dochodjaga
(der Begriff bezeichnete in der russischen Lagersprache einen Gefangenen, der an der Schwelle des Todes stand) mehrfach dem Tod näher war als dem Leben, ihm aber vor allem dank der Hilfe von Lagerärzten entkam, erhielt er die Möglichkeit, an einem Feldscherlehrgang teilzunehmen. Die Tätigkeit als Arzthelfer sicherte ihm in den letzten Haftjahren ein etwas priviligierteres Dasein. Selbst der Drang und die Fähigkeit zu dichten kehrten wieder. In einem der Gedichte aus dieser Zeit vergleicht er die Poesie mit einem »vergessenen Haus«.
    Ab 1949 konnte er nach zehn Jahren Lagerdasein zwischen Steinbrüchen, Goldminen und Krankenbaracken allein in einer Hütte leben, in der sich ein provisorisches Ambulatorium befand. Unverhofft hatte er sowohl die Zeit als auch die Möglichkeit zum Schreiben. Schalamow spricht rückblickend von einem nahezu ununterbrochenen Strom von Versen, so daß der bloße Akt des Aufschreibens mit einer physischen Anstrengung verbunden war, durch welche die Muskeln der Hand ermüdeten. Jeden Vers habe er grundsätzlich sofort notieren müssen, damit er nicht verloren ginge. Viele Zeilen habe er zuerst auf irgendwelche Zettel geschrieben, sie existierten daher zunächst u. a. als »Krakel auf Rezeptpapier«. Der »Instinkt des Gefangenen«, wird er später notieren, habe ihn bewogen, nicht in Prosa zu schreiben, denn für Prosa sei das Territorium der Kolyma zu gefährlich. Er nähte sich selber aus grobem gelbem Papier — zum Teil sogar aus weißem Einschlagpapier, das ihm ein Mitgefangener besorgte — Hefte zusammen, in die er die Gedichte übertrug. Die allerersten, auf verschiedensten Zetteln erfolgten Niederschriften einzelner Verse oder auch Gedichte verbrannte er anschließend.
    1951 wurde Warlam Schalamow aus der Lagerhaft entlassen. Zwei Jahre später konnte er zwar die Kolyma-Region verlassen, durfte allerdings erst 1956, nach der zumindest teilweisen Rehabilitierung, nach Moskau zurückkehren. Dennoch fuhr er 1953 heimlich über Moskau, besuchte seine Familie und nutzte die Gelegenheit, um den von ihm sehr verehrten Dichter Boris Pasternak aufzusuchen. Schalamow hatte ihm nach seiner Entlassung aus dem Lager, noch bevor er die Kolyma verlassen konnte, durch einen Vertrauten zwei Hefte mit Gedichten geschickt, worauf sich zwischen beiden

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