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Durch den Schnee: Erzählungen aus Kolyma 1 (German Edition)

Durch den Schnee: Erzählungen aus Kolyma 1 (German Edition)

Titel: Durch den Schnee: Erzählungen aus Kolyma 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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Argument für einen Intellektuellen eine gewöhnliche Kopfnuß ist.
    11. Daß das Volk die Chefs an der Stärke ihrer Schläge erkennt, an der Leidenschaft, mit der sie schlagen.
    12. Daß Schläge als Argument fast unwiderlegbar sind ( Methode Nr. 3 ).
    13. Ich habe die Wahrheit über die Vorbereitung der mysteriösen Prozesse von Meistern dieses Fachs erfahren.
    14. Ich habe erkannt, warum man im Gefängnis von politischen Neuigkeiten (einer Verhaftung etc.) früher erfährt als in Freiheit.
    15. Ich habe erfahren, daß im Gefängnis (und im Lager) eine »Latrinenparole« niemals eine »Latrinenparole« ist.
    16. Ich habe erkannt, daß man aus der Erbitterung leben kann.
    17. Ich habe erkannt, daß man aus der Gleichgültigkeit leben kann.
    18. Ich habe erkannt, warum der Mensch nicht aus den Hoffnungen lebt – es gibt keinerlei Hoffnungen, nicht aus dem Willen – was schon für ein Wille, sondern aus dem Instinkt, dem Selbsterhaltungstrieb — demselben Prinzip, wie auch der Baum, der Stein, das Tier.
    19. Ich bin stolz, daß ich gleich zu Beginn, schon 1937, beschlossen habe, niemals Brigadier zu werden – wenn mein Wille den Tod eines anderen Menschen herbeiführen kann, wenn mein Wille der Leitung dienen soll, indem er andere Menschen – ebensolche Arrestanten wie mich – unterjocht.
    20. Meine körperlichen wie auch meine geistigen Kräfte haben sich in dieser großen Prüfung als stärker erwiesen, als ich dachte, und ich bin stolz, daß ich niemanden verkauft, niemanden in den Tod, in eine Haftstrafe geschickt, daß ich niemanden denunziert habe.
    21. Ich bin stolz, daß ich bis 1955 keine Eingabe geschrieben habe.
    22. Ich habe mit eigenen Augen die sogenannte »Berija-Amnestie« gesehen — und da gab es etwas zu sehen.
    23. Ich habe gesehen, daß die Frauen anständiger und selbstloser sind als die Männer — in der Kolyma gibt es keinen Fall, wo ein Mann seiner Frau gefolgt wäre. Aber Frauen kamen, viele (Faina Rabinowitsch und die Frau von Kriwoschej ).
    24. Ich habe erstaunliche Familien des Nordens gesehen (von Freien und ehemaligen Häftlingen) mit Briefen an die »rechtmäßigen Ehemänner und Ehefrauen« etc.
    25. Ich habe die »ersten Rockefellers« gesehen, Untergrundmillionäre, und ihre Bekenntnisse angehört.
    26. Ich habe Katorga-Häftlinge gesehen, und auch zahlreiche »Kontingente« »D«, »B« etc., das »Uferlager« .
    27. Ich habe verstanden, daß man sehr vieles erreichen kann – das Krankenhaus, eine Verlegung –, jedoch sein Leben riskiert — Prügel, der vereiste Karzer.
    28. Ich habe den Eiskarzer gesehen, der in den Fels geschlagen war, und habe selbst eine Nacht darin verbracht.
    29. Die Passion für die Macht, für das ungehinderte Morden ist groß — von den hohen Chargen bis zu den gewöhnlichen Operativniki — mit Gewehr ( Seroschapka und seinesgleichen).
    30. Den unwiderstehlichen Drang des russischen Menschen zur Denunziation, zur Beschwerde.
    31. Ich habe erkannt, daß man die Welt nicht in gute und schlechte Menschen einteilen muß, sondern in Feiglinge und Nichtfeiglinge. Die 95% der Feiglinge sind bei geringer Gefährdung zu jeder Gemeinheit bereit, zu tödlicher Gemeinheit.
    32. Ich bin überzeugt, daß das Lager – immer – eine negative Schule ist, auch nicht eine Stunde darf man darin verbringen — es ist eine Stunde der Zersetzung. Niemandem hat das Lager jemals etwas Positives gegeben und geben können. Auf alle – Häftlinge wie Freie – wirkt das Lager zersetzend.
    33. In jedem Gebiet gab es eigene Lager, bei jedem Bauprojekt. Millionen, Dutzende von Millionen Häftlinge.
    34. Die Repressionen betrafen nicht nur die oberen, sondern alle Schichten der Gesellschaft — in jedem Dorf, in jeder Fabrik, in jeder Familie gab es entweder Verwandte oder Bekannte, die Repressalien ausgesetzt waren.
    35. Für die beste Zeit meines Lebens halte ich die Monate in der Zelle des Butyrka-Gefängnisses, wo es mir gelang, den Geist der Schwachen zu stärken, und wo alle frei sprachen.
    36. Ich habe gelernt, mein Leben für einen Tag im voraus zu »planen«, nicht weiter.
    37. Ich habe erkannt, daß die Diebe keine Menschen sind.
    38. Daß es im Lager keine Verbrecher gibt, sondern dort Leute sitzen, die mit dir waren (und das morgen wieder sein werden), die das Gesetz nicht überschritten haben und innerhalb seiner Grenzen ergriffen wurden.
    39. Ich habe verstanden, was für eine schreckliche Sache die Eigenliebe ist bei einem Jungen, bei einem jungen Mann:

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