Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Durch den Wind

Titel: Durch den Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
Vom Netzwerk:
Espressomaschine und Eisschrank. Mitten im Raum waren vier bunte Sessel verteilt, die nicht nur sehr bequem aussahen, sondern irgendwie auch besonderen Witz ausstrahlten. In zwei Vitrinen links und rechts an den Wänden lagen die weißen Schätze: Schneespray, Bikinis, grobkörniges Salz, ein Cowboyhut, Kugelketten, eine extravagante Vintagetasche und vieles mehr.
    Im hinteren Teil des Raums, etwas abseits, stand ein Schreibtisch mit einem geschlossenen Laptop und tragbarem Drucker. Berge von kopierten Texten, Mappen, Büchern und Zeitungsausschnitten stapelten sich auf, neben und unter dem Tisch. Dieser Teil wirkte ganz anders als der vordere, so als würde er von einer anderen Person benutzt werden. Dort gabes kein Fenster und nur einen Stuhl, der an einer Seite von einem Klebeband zusammengehalten wurde. Der Tresen bildete eine Grenze. Was er jedoch (über das Offensichtliche der unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche hinaus) voneinander abtrennte, war nicht einsichtig.
     
    »Kaffee?« fragte Friederike jetzt.
    Alison nickte erneut, holte eine Haarspange aus der Tasche und band sich ihre roten Haare zu einem langen Pferdeschwanz zusammen; das tat sie immer, wenn sie ein wenig unsichtbarer werden wollte. Als sie ihre Hand aus der Hose zog, merkte sie, dass wieder ein Blusenzipfel heraushing, und sie steckte ihn schnell zurück in den Hosenbund. Friederike schäumte die Milch. Bald würde Alison etwas sagen müssen, um nicht eigenartig oder arrogant zu wirken. Sie schaute sich weiter um, jede Ecke dieses Raumes schien von kleinen und großen Ideen bevölkert zu sein, alles war belebt und strahlte eine große Beweglichkeit aus. Und plötzlich konnte sie die Trägheit in sich greifen, die seit Monaten ihren Körper durchzog, und auf einmal fühlte es sich so an, als könnte sie sie wieder loswerden – hier in diesem Raum. Vor ein paar Tagen hatte Victor sie gefragt, warum sie nur noch ihre Illustrationen mache und ihre Kunst so ins Stocken geraten war, und sie hatte geantwortet, dass sie etwas ausbrüte, über das sie noch nicht sprechen konnte, und dabei gedacht, dass das nur eine Ausrede war. Aber vielleicht war es doch keine Ausrede gewesen.
    Friederike stäubte jetzt den Kakao auf den Milchschaum, und Alison steckte ihre Hände in die Manteltaschen. Vielleicht saß sie auch mit gespreizten Federn auf einem Geheimnis, das so geheim war, dass sie es vor sich selbst geheim hielt. Jedenfalls wollte sie wirklich, dass ihr Leben wieder mehr inBewegung kam, auch wenn sie den Frieden so genoß. Friederike stellte ihr den Kaffee hin, ging zu den Torten hinüber und schnitt eine an. Alison atmete einmal tief durch, gab sich einen Ruck und fragte dann: »Was machst du sonst noch hier außer den tollsten Torten Berlins?«
    Friederike lachte, und dann sagte sie: »Der Laden hat immer ein Thema. Eine Zeitlang gibt es Sachen zu diesem Thema zu kaufen. Im Moment ist alles weiß. Die weißen Schlittschuhe waren gleich weg, die Vasen und die Lampen sind verkauft, die weißen Glaskugeln auch, aber schau dich um: ein paar Schätze sind noch zu haben. Kaffee und Torten gibt es natürlich immer. Kaffee bringt Geld, und die Torten machen mich glücklich.« Dann zeigte sie in den hinteren Teil des Ladens und sagte: »Und dahinten sammle ich Texte. Ich lese eigentlich ständig, mehrere Bücher gleichzeitig, ohne Sinn und Verstand, alles, was ich finden kann. Und das Schlimme ist, ich vergesse nichts. Ich merke mir alles. Manchmal ist das zu viel. Wenn es gut läuft, dann schreibe ich dort auch.«
    »Du sammelst Texte und schreibst? Zwischen Schokoladenkuchen, Luis Trenker und einer Espressomaschine?«
    Friederike schaute sie lange an, dann ließ sie das Messer sinken: »Jetzt sag mir nicht, dass ich Zuckerbäckerin werden sollte. Ich bin anfällig für solche Ideen.«
    »Du solltest Zuckerbäckerin werden«, sagte Alison und ging ein paar Schritte in den Raum hinein. Dass sie mit einem Menschen gleich so reden konnte – das hatte sie lange nicht erlebt. Für Friederike schien das hingegen ganz normal. Jedenfalls zögerte sie nicht.
    »Danke.« Friederike fuhr sich mit beiden Händen in die Haare.
    Sie schwieg, dann schaute sie Alison von der Seite an: »Und du?«
    »Ich?« Sie stockte, dann fuhr sie fort: »Schwierige Frage.«
    Was machte sie eigentlich gerade? Ihre Illustrationen? Davon lebte sie schließlich – aber war es das, was sie dieser Frau sagen wollte, die sie gerade erst kennengelernt hatte?
    »Entschuldigung, ich wollte

Weitere Kostenlose Bücher