Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Durch die Hintertür

Durch die Hintertür

Titel: Durch die Hintertür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lear
Vom Netzwerk:
Liebling!«
    Beim Anblick ihres Liebsten zerschmolz Belindas Entsetzen zu etwas besser Kontrollierbarem. »Oh, Harry!« Sie stürzte auf ihn zu. »Er ist … tot!« Und damit fiel sie in seinen Armen in Ohnmacht – ein Bild, das einer Londoner Theaterbühne würdig gewesen wäre.
    Binnen Momenten befand sich ganz Drekeham Hall in Aufruhr. Kaum hatte Belinda die Besinnung verloren, wimmelte das Haus nur so von Polizisten, die aus allen Himmelsrichtungen in die Eingangshalle strömten. Bei meinen gelegentlichen Ausflügen in die Hauptstadt sah ich mir im West End gerne Aufführungen an, vor allem Komödien, und es hatte mich stets amüsiert, wie schnell die Bobbys am Ort des Verbrechens waren. Ich hätte mir allerdings nie vorstellen können, dass das ganz der Wirklichkeit entsprach. Doch hier hatte ich den lebenden Beweis für die fast unheimliche Tüchtigkeit der britischen Polizei vor Augen. Drei kamen durch den Haupteingang, zwei von der Treppe, die zur Küche führten, und zwei weitere aus Richtung des Parks und des Gartens. Sie trafen sich auf der Einlegearbeit, die ein komplexes Muster konzentrischer Kreise und Sterne auf dem Boden der Halle bildete (italienischer Marmor, denn Sir James Eagle war ein vermögender Mann). Ich kauerte oben auf dem Treppenabsatz und beobachtete das Geschehen durch das Geländer.
    Sir James persönlich kam raschen Schrittes aus seinem Arbeitszimmer, direkt auf denjenigen zu, den ich für den ranghöchsten Polizisten hielt.
    »Officer«, sagte er mit der gleichen Stimme, mit der er regelmäßig im Parlament für Ruhe sorgte, »es gab einen überaus scheußlichen Vorfall.«
    »Sir?« Der Officer wirkte nicht sonderlich überrascht.
    »Ein junger Mann ist unter bedauerlichsten Umständen aufgefunden worden.«
    »Tot, Sir James?«
    »Tot, Sergeant.«
    »Sein Name, Sir?«
    Sir James schien einen Moment zu zögern. Dann: »Reginald Walworth. Genannt wurde er Reg, glaube ich.«
    »Ein Gast, Sir?«
    »Ja, ein Gast auf Drekeham Hall. Es ist grauenhaft, wirklich überaus grauenhaft …« Er schirmte die Augen mit der Hand ab und wandte dem griechischen Chor der sieben Polizisten den Rücken zu. Auf den ersten Blick wirkte es wie eine gut einstudierte Geste der Trauer – und doch konnte ich von meinem Aussichtspunkt aus sehen, dass Sir James’ Züge von echtem Leid verzerrt waren. Die Lider presste er zusammen, als leide er unter starken Schmerzen, und er zog eine Grimasse, als habe er gerade eine übel schmeckende Medizin geschluckt. Er atmete tief durch und sammelte sich, richtete die Augen gen Himmel – und begegnete dabei meinem Blick. Sir James Eagle, Abgeordneter des Parlaments, war ein Mann in den Vierzigern. Früher war er ebenfalls Kapitän der Rudermannschaft von Cambridge gewesen, und trotz der tiefen Falten, die das öffentliche Amt in sein Gesicht gegraben hatte, war er immer noch ein gut aussehender Mann. Er bemerkte meinen verwirrten Gesichtsausdruck, drehte sich um und wandte sich wieder den Polizisten zu.
    »Der Leichnam ist noch immer in meinem Arbeitszimmer, meine Herren, wo man … ihn entdeckt hat. Wenn Sie mir folgen würden?«
    »Selbstverständlich, Sir.«
    Und damit marschierte die gesamte Schwadron die Treppe hinauf: Sir James an der Spitze, der Sergeant direkt hinter ihm und die anderen je zu zweit dahinter. Ich drückte mich an die Wand, um sie vorbeizulassen, und fragte mich, ob alle Mordfälle in Landhäusern mit derartiger Präzision angegangen wurden. (Weniger überraschend fand ich allerdings, dass wenigstens zwei der Polizisten, darunter der Sergeant, gut aussahen und dass mich mindestens vier beim Vorbeigehen mit Blicken musterten. Ich hatte wohl noch einen Ständer.)
    Der Trupp verschwand in einem Gang – in der Richtung, aus der wir wohl Belindas ersten Schrei gehört hatten. Zu gern wäre ich ihnen gefolgt, um dieses Rätsel zu lösen, aber der Anstand hielt mich zurück. Nicht einmal wir Amerikaner mischen uns bei persönlichen Unglücksfällen ungefragt ein, und mir war bewusst, dass jeder neugierige Vorstoß in Drekeham Hall nur auf eisige Ablehnung treffen würde.
    Und doch war mein Interesse geweckt – derart sogar, dass ich Boy Morgan beinahe vergessen hatte. Er hatte seine Geliebte auf den Teppich gelegt und hüpfte von einem Bein aufs andere, weil sein Schwanz ihm noch immer Unbehagen bereitete. Jugend und Athletik sind wirklich eine wundervolle Kombination: Nicht einmal ein Mord kann den Sturm in der Hose eines jungen Mannes bezwingen.
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher