Durch Himmel und Hoelle
Nähe der Stal- lungen führt, Annie?« wollte Elysia von dem Mädchen wissen.
»O ja. Die Dienstbotentreppe.«
»Zeig sie mir schnell, aber sei leise. Niemand darf erfahren, daß wir weg sind«, warnte sie, als sie aus dem Zimmer stürmte. Der Saum ihres Umhangs streifte die Tischecke, so daß das dünne Blatt Papier hochflog und mitten auf dem Boden landete.
Elysia folgte der kleinen Magd durch die endlosen Korridore, bis Annie endlich vor einer einfachen schmalen Tür stehenblieb. Ihr einziges Licht war die flackernde Kerze, die Annie in ihrer zittern- den Hand hielt.
»Da wären wir, Mylady. Seid bloß vorsichtig, sie ist sehr steil. Die Stallungen sind rechts.«
»Ich danke dir, Annie. Ich werde zweimal klopfen«, erklärte sie ihr, »dann wirst du mich hereinlassen. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird.«
»Oh, Mylady!« rief Annie ängstlich aus. »Ich bleib' nicht gern al- lein hier im Dunklen.«
»Im Haus kann dir gar nichts geschehen, Annie.«
»Aber man weiß ja nie, wer sich in der Nacht herumtreibt. Viel- leicht einer dieser Franzosen, der einem die Kehle durchschneidet«, sie hielt furchtsam inne. »Nachdem er vorher noch schlimmeres an- gestellt hat. Ihr wißt schon, was ich meine.« Sie wackelte mit dem Kopf, zog ihre Schultern ein und umschlang mit ihren dünnen Anri- ehen schutzsuchend ihren Oberkörper.
»Solange du dich still wie ein Mäuschen verhältst und keinen Lärm machst, bist du völlig sicher. Setz dich dahin und warte auf mich«, befahl Elysia, die keine Zeit mehr versäumen wollte. Sie setzte das ängstliche Mädchen energisch auf einen Stuhl neben der Tür.
Elysia erreichte die Stallungen ohne Zwischenfall. Sie trat durch eine Seitentür an der dem Haus abgewandten Seite ein. Der starke Geruch von Pferden und Heu stieg ihr in die Nase, als sie leise durch die Stallgasse ging, nur hin und wieder wieherte ein Pferd als Ant- wort auf das Schleifen ihres Umhangs auf dem Boden, während Elysia auf ein schwach glimmendes Licht in einer Stallecke zuging.
»Ian!«
»Schschsch!« warnte sie Jims und hielt seinen Finger an den Mund. »Wir wollen doch nicht den ganzen Stall aufwecken.«
»Ian, was ist denn mit dir passiert?« wollte Elysia wissen. Sie kniete sich neben ihm ins Stroh und nahm sein böse zugerichtetes Gesicht zwischen ihre Hände.
»Du wirst mir wahrscheinlich nicht glauben, wenn ich dir sage, daß ich in einen Baum gelaufen bin?« scherzte er schwach.
»Nein, das würde ich wirklich nicht - so wie es aussieht und wie du riechst, war es wohl eine Wirtshausrauferei«, erklärte Elysia un- gehalten und zog angeekelt ihre Nase kraus. Sie feuchtete einen Baumwollfetzen mit Wasser an und drückte ihn vorsichtig auf sein geschwollenes Auge. Obwohl er bei der Berührung zusammen- zuckte, ließ sie nicht locker.
»Ich weiß nicht, warum Jims dich da hineinziehen mußte. Du solltest noch gar nicht aufstehen. Mit dir rechne ich später ab, Jims«, zischte er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Ruhig Blut, Master Ian«, beschwichtigte ihn Jims. Er war von Ians Versprechen, mit ihm abzurechnen, nicht sonderlich einge- schüchtert. »Wie sollte ich wissen, ob Ihr nicht schwer verletzt seid? So voller Blut habt Ihr wirklich halbtot ausgesehen. Miss Elysia hätte es mir nie verziehen, wenn ich sie nicht gerufen hätte.« Er schüttelte besorgt den Kopf und spitzte die Lippen. »Diese Gegend hier ist für die Demarices nicht besonders sicher.«
»Jims hat ganz recht gehabt, mich zu holen. Aber jetzt will ich wissen, wie das passiert ist, Ian. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Baum dir einen solchen hervorragenden linken Haken aufs Auge geben konnte«, sagte sie trocken und wischte ihm den Dreck und das Blut aus dem Gesicht.
»Das wird ein tolles Veilchen, Master Ian«, kommentierte Jims.
»Das spür' ich schon selber«, brummte er.
»Wenigstens siehst du jetzt wieder wie ein Mensch aus.« Elysia hockte sich hin und gab Jims die schmutzigen Lappen. »Tut dir noch irgendwo was weh?«
»Nur mein verletzter Stolz hat einen tödlichen Knacks bekom- men, sonst hat nur noch mein Magen ein paar wohlgezielte Hiebe abgekriegt«, sagte er und befühlte vorsichtig seinen Magen.
»Ich wette, Ihr habt ziemlichen Schaden angerichtet, bevor sie Euch niedergeschlagen haben«, kicherte Jims und stellte sich dabei ein paar gebrochene Nasenbeine und herausgeschlagene Zähne vor.
»Nicht so viel, wie ich mir gewünscht hätte, aber ich garantiere dir, die werden meine Fäuste so
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