Durch Himmel und Hoelle
antwortete Ian grimmig. »Es gibt Männer, die vor nichts zu- rückschrecken, wenn es zu ihrem Vorteil ist. Sie würden für ein paar Goldstücke ihre Seelen verkaufen.«
Wer könnte so tief gesunken sein und sein Vaterland verraten wollen? überlegte Elysia mit gerunzelter Stirn.
»Squire Blackmore«, beantwortete Ian ihren Gedanken.
»Der Squire? O nein! Das ist doch unmöglich. Der ist d o c h . . . n u r . . . ein aufgeblasener Pfau«, rief Elysia ungläubig aus.
»Ein Pfau ja, aber unter diesem prächtigen Federschmuck ver- birgt sich ein gieriger, machthungriger Mann - der nur darauf war- tet, wie eine Schlange zuzustoßen, wenn sich ihm jemand in den Weg stellt. Er spielt den großzügigen Gastgeber, während er seine Pächter verhungern läßt. Er zeigt seinen Gästen ein gutmütiges und liebenswürdiges Gesicht, und tyrannisiert nebenbei die ganze Ge- gend mit seinen grausamen Drohungen und Ultimaten.«
Elysia saß völlig erschlagen da. Squire Blackmore? Ein Schmugg- ler - ein Verräter? Aber er spielte immer den Clown und den Ange- ber. Ein Kriecher, der sich bei seinen reichen Freunden einschmei- chelte. Nie wäre sie auf den Gedanken gekommen, daß er gefährlich sein könnte. Elysia fiel aber ein, wie er Louisa schikanierte. Er erin- nerte sie an ein Kaninchen, das mit schnuppernder Nase alles aus- kundschaftete und lauernd alles beobachtete, gerade so, als würde ihm von überall Gefahr drohen.
Er hatte sie getäuscht und sie mit seiner auffallenden Kleidung ge- blendet.
»Wir müssen diesen verräterischen Haufen von Schmugglern dingfest machen, ehe sie ihre Pläne ausführen können«, fuhr Ian fort. Elysia beobachtete ihn, während er sprach. Er hatte sich viel mehr geändert, als ihr bewußt geworden war. Er war jetzt ein Mann mit einer Aufgabe - ein entschlossener Mann, der ein unerbittlicher Feind sein würde.
»Ich möchte dich da nicht hineinziehen, Elysia, aber du könntest mir Informationen zukommen lassen. Du kannst in Blackmore Hall aus und ein gehen, was mir nicht möglich ist. Du mußt dich nach Neuankömmlingen umsehen - jeden, den du noch nicht kennst. Ich möchte auch, daß du den Squire beobachtest und die, mit denen er sich unterhält, obwohl ich bezweifle, daß er dabei so offensichtlich zu Werke geht. Aber man darf nichts übersehen, weil das Offen- sichtliche manchmal eine Form des Versteckens ist. An einer Person bin ich ganz besonders interessiert, dem Comte d'Aubergere.«
»Was hat der damit zu tun?« fragte Elysia überrascht.
»Er ist der Spion.«
»O nein!«
»Hast du ihn kennengelernt?« fragte Ian interessiert. Sein linkes Auge war inzwischen fast zugeschwollen.
»Ja, das habe ich«, antwortete Elysia traurig. »Ich kann es nicht glauben, daß er darin verwickelt ist. Er ist Franzose, aber er haßt Napoleon. Seine Güter wurden beschlagnahmt, und er ist wegen Napoleon bettelarm. Wie ist es möglich, daß er ein Agent ist?«
»Er ist einer«, erwiderte Ian streng. »Er hat im Moment geheime Regierungspapiere in seinem Besitz, die er im Ministerium gestoh- len hat. Er wird versuchen, sie nach Frankreich zu schmuggeln. Wir haben Beweise dafür, daß er mit Napoleon verbündet ist. Er lügt, wenn er sagt, daß seine Güter beschlagnahmt sind, wenn er über- haupt je welche besessen hat. Wahrscheinlich ist er auch kein
Comte. Und wenn er wirklich das ist, wofür er sich ausgibt, was ich stark bezweifle, ist er nur einer von vielen, die versuchen, Ihre Be- sitztümer wiederzubekommen, indem sie sich mit Napoleon ver- bünden.«
Elysia seufzte. War denn niemand das, was er zu sein vorgab? Spielten alle nur Theater - eine endlose Scharade? Sogar sie verbarg ihre wahren Gefühle vor den anderen. Wie leicht fiel es ihr jetzt zu lügen.
»Der Comte hat die Dokumente sehr gut versteckt. Wenn dir et- was auffällt, mußt du es sofort Jims sagen, der wird es an mich wei- tergeben. Unsere Schiffe beobachten die Überfahrten nach Frank- reich, aber wir können nicht riskieren, daß sie uns sehen und ent- kommen. Wir haben Grund zu der Annahme, daß sie auf ein fran- zösisches Kriegsschiff warten, das die Papiere übernehmen soll. Es muß in den nächsten Tagen geschehen. Samstag ist der erste Tag ohne Mond, und bis jetzt waren die Nächte zu hell.«
Ian stand auf und zog Elysia mit sich hoch. Er umarmte sie liebe- voll. »Du wirst deine Aktivitäten nur auf Zuhören und Beobachten beschränken - kein Herumspionieren. Ich will nicht, daß du dich in Gefahr begibst. Jims
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