Durch Zeit und Raum
Irrtümer und Verfehlungen eingesponnen: alles geriet durcheinander und vermengte sich; ein Alptraum, aus dem es kein Erwachen gab. Meg litt mit ihm. Und mit Charles Wallace, der in Chuck nach Innen gegangen war.
*
Schmerz und Angst
die Welt wirbelt
außer Kontrolle geraten, taumelt sie um ihre Achse
taumelt davon
fort von der Sonne
in die Dunkelheit
Licht
ein Knall in den Augen ein Lichtknall Licht
tausend brennende Farben
er kann sie riechen, riecht sie, riecht
»Chuck!« Die Stimme aus weiter Ferne; das Echo brach sich an den Wänden des unsichtbaren Tunnels.
»Chuck! Ich bin es! Beezie, deine Schwester! Chuck, kannst du mich hören?«
Das ungeheure Gewicht des Alls lastete auf ihm. Aber es gelang ihm, zur Antwort auf Beezies Ruf einen Finger zu heben; und als er das tat, war da wieder die Angst: die Angst, das Gewicht könnte sich von seiner Brust heben, und dann würde er stürzen, aus der taumelnden Erde fallen…
»Er hat mich gehört, Ma! Chuck hat den Finger bewegt!«
Langsam beruhigte sich das wilde Kreisen, zog die Erde wieder ihre gewohnte Bahn. Die Farben beendeten ihren verwirrenden Tanz und kehrten an den angestammten Platz zurück. Die Gerüche ließen sich wieder erkennen und unterscheiden: Kaffee, Brot, Äpfel. Beezie: sie roch nicht mehr nach dem goldenen Gelb, aber immer noch nach Beezie. Und Mutter: das Blau, wolkenblau, nicht mehr wirklich blau, grauer geworden, regenwolkengrau. Großmutter. Wo ist Großmutters Geruch? Warum diese Leere? Wo ist das Grün?
»Großmutter!«
»Sie ist tot, Chuck. Ihr Herz hat aufgehört zu schlagen.«
»Gedder hat sie gestoßen. Er hat sie umgebracht.«
»Nein, Chuck.« Beezies Stimme war bitter, und die Bitterkeit brachte das goldene Gelb zum Verstummen. »Es war Duthbert Mortmain. Er war wütend auf sie und wollte sie schlagen, aber du hast sie davor bewahrt, und der Hieb hat statt dessen dich getroffen, und du bist über die Treppe gefallen und hast dir den Schädelknochen gebrochen. Und Großmutter – sie konnte das einfach nicht… nicht mehr…«
»Was? Hat Gedder…?«
»Nein. Nein, Chuck, nicht Gedder. Duthbert Mortmain. So stumpf er ist, das hat ihn erschüttert. Er und Ma brachten dich ins Krankenhaus, und ich bin bei der Großmutter geblieben, und sie sah mich an und sagte: ›Tut mir leid, Beezie, nun kann ich nicht länger warten. Mein Patrick ist gekommen, mich zu holen.‹ Und sie hat noch einmal geseufzt. Und dann war es vorbei.«
Er hörte sie. Aber ihre Worte wurden übertönt von einem Sausen und Brausen und dem Geruch eines heißen, fremden Winds. Die Zeit entglitt ihm und brach sich. »Gwen darf Gedder nicht heiraten. Gwydyrs Kinder dürfen sich nicht mit Madocs Kindern vermählen.«
Jetzt klang Beezies Stimme gequält. »Wovon sprichst du? Chuck, bitte hör auf! Du machst mir Angst! Ich möchte, daß du wieder ganz gesund wirst.«
»Das ist keine Einbildung. Kein Spiel. Gwen und Gedder – das hätte Folgen, furchtbare Folgen…«
Hoch ragte die Klippe über ihm auf, dunkel, ein dunkler Schatten. Oben, am Rand der Klippe, stand Gedder und wartete. Wartete.
Worauf wartete er?
Allmählich ging es Chuck wieder besser. Bald konnte er Dosen und Schachteln in die Regale stellen. An Schulbesuch war nicht zu denken, aber Chuck hatte sich soweit erholt, daß er die Preise der Waren anschreiben konnte. Er irrte sich selten, und wenn, zog ihn Duthbert Mortmain nicht mehr zur Strafe am Ohr.
Manchmal, wenn die Welten sich verschoben, sah Chuck Mortmain für Gedder an. »Gedder ist jetzt freundlicher als früher!« sagte er zu Beezie. »Er ist netter zu Ma. Und zu Großmutter und mir.«
»Großmutter…«, begann Beezie, und ein Schluchzen erstickte ihre Stimme. »Chuck, laß das bleiben! Das ist kein Spiel! Wie kannst du nur so tun, als ob – als ob…« Sie wurde schrill vor Zorn. »Warum ziehst du dich gerade jetzt von mir zurück, wenn ich dich am dringendsten brauche? Du darfst mich nicht verlassen!«
Er hörte sie und hörte sie doch nicht. Er war zwischen die Zeiten und Welten geraten, und es gelang ihm nicht, dorthin zu kommen, wo Beezie war. »Großmutter sagt, er darf nicht hören, daß ich ihn Gedder nenne, denn so heißt er nicht wirklich. Also bin ich auf der Hut!« Was er eigentlich sagen wollte, was er wirklich zu sagen glaubte, war: » Ich werde dich nie verlassen, Beezie! « Aber die Worte aus der anderen Welt taumelten ihm aus dem Mund. »Wo ist Matthew? Ich muß mit ihm reden. Er soll Zillah nach Vespugia
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