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Durch Zeit und Raum

Durch Zeit und Raum

Titel: Durch Zeit und Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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und konnte Chuck doch nicht wieder gesund machen. Er hat Chuck vom Tode errettet – aber ob er ihm damit eine Wohltat erwies? Jedenfalls ist Gaudior nun heimgekehrt, um sein Horn in die heilenden Gefilde zu tauchen und ihm neue Kraft zu verleihen.«
    »Wer bist du also?«
    Wieder lachte die Stimme. »Du kennst mich. Als ihr beinahe im Eiszeit-Meer ertrunken wäret und Gaudior dich in seine Heimat brachte, sind wir einander begegnet. Ich bin das kleine Einhorn, das aus den Eierschalen schlüpfte.«
    »Warum kann ich dich nicht sehen? Warum kann ich überhaupt nichts sehen?« Die Stimme hatte ihm wieder Zuversicht gegeben, und doch fühlte er eine böse Vorahnung.
    »So lange du in Chuck bist, siehst du nur, was er sieht. Und er ist bewußtlos und wird es noch tagelang bleiben. Komm, Charles Wallace! Wir dürfen keine Zeit verlieren. Wir helfen dir aus Chuck heraus. Wenn Mad Dog Branzillo daran gehindert werden soll, den Weltuntergang heraufzubeschwören, darfst du nicht zögern.«
    »Laß mich überlegen…« Da stimmte doch etwas nicht! Aber was?
    »Charles Wallace! Gaudior wird dir meine Worte bestätigen. Chucks Gehirn ist geschädigt. Er ist jetzt nur noch ein kleiner Idiot. Komm heraus!«
    »Wenn ich gehorche, werde ich dich dann zu sehen bekommen?« In dieser Stimme schwang etwas mit, das sich mit dem Bild des kleinen Einhorns nicht in Einklang bringen ließ. Andererseits: so klein war es ja nun nicht mehr…
    »Natürlich wirst du mich sehen. Beeile dich! Deine Bestimmung duldet keinen Aufschub.«
    »Meine Bestimmung?«
    »Was sonst? Du bist doch berufen worden; oder etwa nicht?«
    »Nein. Beezie – Frau O’Keefe – sie hat mir eine Aufgabe gestellt.«
    »Weil du der einzige bist, der Branzillo zurückhalten kann.«
    »Nein, das kann ich nicht…«
    »Aber natürlich kannst du das.« Die Stimme klang geduldig und zuversichtlich. »Warum, meinst du, fiel die Wahl ausgerechnet auf dich?«
    »Nun ja, Gaudior glaubte wahrscheinlich, daß ich – daß ich auch bei anderen Leuten nach Innen gehen kann, weil Meg und ich oft miteinander kythen.«
    »Siehst du! Du wurdest berufen, weil du über besondere Gaben verfügst und außergewöhnlich intelligent bist. Aber das weißt du selbst, nicht wahr?«
    »Schön, ich kann kythen. Und mein IQ ist ziemlich hoch. Das stimmt schon. Aber das allein genügt nicht.«
    »Warum sollte es denn nicht genügen? Zudem kannst du zwischen Richtig und Falsch unterscheiden und die erforderlichen Entscheidungen treffen. Du wurdest berufen, weil du ein überdurchschnittlicher junger Mann bist und dich deine Gaben und dein Verstand zu außerordentlichen Leistungen befähigen. Keiner außer dir vermag ein Soll-Sein zu beeinflussen.«
    Charles Wallace spürte, wie sich sein Magen hob.
    »Komm, Charles Wallace! Du wurdest berufen! Du entscheidest das künftige Geschehen. Du wirst gebraucht. Wir müssen weiter.«
    Charles Wallace mußte sich übergeben. War das eine Reaktion auf die einschmeichelnde Stimme? Oder kam es davon, daß Chuck, der Chuck mit dem gesprungenen Schädel, sich erbrach? Eines aber wußte Charles: Wer auch immer zu der Stimme gehören mochte, jedenfalls war es kein Einhorn.
    Als sich sein Magen wieder beruhigt hatte, sagte Charles Wallace: »Ich weiß nicht, wer du bist, aber du hast keine Ähnlichkeit mit Gaudior. Der hätte nie so zu mir gesprochen, wie du es tust. Eben weil ich besonders intelligent handeln und die Ereignisse selbst unter Kontrolle bringen wollte, sind wir in Schwierigkeiten geraten. Ich könnte nicht sagen, welche meiner Fähigkeiten ich einsetzen soll, aber auf keinen Fall meinen Verstand oder meine Kraft. Ob es mir gefällt oder nicht, ich bin in Chuck. Und noch nie habe ich jemanden aus eigenem Entschluß verlassen; das geschah nie durch mich, sondern immer mit mir. Ich bleibe, wo ich bin.«
    Meg stieß einen tiefen Seufzer aus. »So war es recht! Glaubst du das nicht auch?«
    Ananda schleckte ihr mit der warmen Zunge über die Hand.
    Meg schloß die Augen und lauschte. Sie meinte, ein wütendes, enttäuschtes Heulen zu hören, und sie roch den furchtbaren Gestank der Echthroi.
    Diesmal hatten sie also auf geschicktere Art versucht, an Charles Wallace heranzukommen, statt ihn von Gaudiors Rücken zu zerren oder in eine Projektion zu verwehen!
    Um ein Haar hätte Duthbert Mortmain Chuck getötet. Von nun an lief für Chuck nichts mehr in den gewohnten Bahnen-, weder Zeit noch Raum. Sein Verstand war verwirrt; auch die Erde, meinte er, hatte sich in

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