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Durch Zeit und Raum

Durch Zeit und Raum

Titel: Durch Zeit und Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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da ist noch etwas, das ich dir sagen muß. Als ich Bran gestern überreden wollte, mit mir auszureiten, und im Rollstuhl zum Stall fuhr, um nach meinem Sattel zu sehen, da… Also, als ich die Tür aufmachte, da waren die beiden drinnen, Jack und… und…«
    »Gwen?«
    »Wie konntest du das erraten?«
    »Mir ist aufgefallen, daß er ihr schöne Augen macht. Und sie ihm.«
    »Sie haben es nicht bei Blicken bewenden lassen. Sie haben sich geküßt.«
    »Die Tochter des Hauses und der Stallbursche. Deine Eltern würden das mißbilligen. Und wie stehst du dazu?«
    »Zillah, nicht das ist es, was mich an Jack O’Keefe stört. Sondern daß er nichts weiter als ein großer und brutaler Kraftprotz ist. Für mich – und für jeden, dem es nur im geringsten am Körper gebricht – hat er bloß zornige Verachtung übrig. Einmal hatte sich ein junger Hund zu uns verlaufen, ein winziger Kerl. Ich hab gesehen, wie Jack ihn packte und erschlagen hat: er klatschte ihn einfach gegen das Scheunentor.«
    Sie schlug die Hand vor die Augen. »Matt! Hör auf!«
    »Ich glaube, gerade das imponiert Gwen so an ihm. Daß er vor Kraft und Gesundheit strotzt. Ich bin ein ganzer Krüppel, Bran ist ein halber – zumindest auf absehbare Zeit. Und Jack ist das Leben. Das leibhaftige Leben. Sie merkt nicht, daß hinter seinem fröhlichen Grinsen und seinem lauten Lachen die nackte Grausamkeit steckt.«
    »Was wirst du dagegen unternehmen?«
    »Nichts. Fürs erste. Mama und Papa haben ohnedies schon Sorgen mehr als genug. Die Sache mit Bran drückt ihnen das Herz ab. Und wollte ich Gwen vor Jack warnen, würde sie bloß glauben, ich täte es aus reiner Eifersucht auf alles, was er kann und ich nicht. Ich will versuchen, mit Bran darüber zu sprechen, aber ich fürchte, er wird mir gar nicht zuhören.«
    »Matt, Lieber! Wie froh bin ich, daß wir beide uns so offen aussprechen können.« Ihre Stimme verriet Mitgefühl, aber nichts von dem Mitleid, das er so haßte. »Matt«, sagte Zillah. »Mein lieber, treuer Freund.«
    Eines Abends, als die Männer nach dem Essen beim Portwein saßen, schaute Herr Maddox Bran über den Rand seines Weinglases hinweg an und sagte: »Matthew und Zillah sähen es gern, wenn du an ihren Walisisch-Stunden teilnehmen würdest.«
    »Das kann ich noch nicht, Papa.«
    »Das kann ich nicht, das kann ich nicht – seit drei Monaten bekomme ich von dir nichts anderes zu hören! Will Llawcae sagt, deine Wunde ist verheilt; du darfst dich nicht länger für krank ausgeben.«
    Matthew versuchte den Vater abzulenken. »Weißt du, was mir heute aufgefallen ist? Daß Gwen mit ihren vorspringenden Bakkenknochen eher wie eine Indianerin als wie eine Walisische aussieht.«
    Herr Maddox schenkte sich ein zweites Glas ein und stöpselte die kunstvoll geschliffene Karaffe zu. »Deine Mutter schätzt es nicht, daran erinnert zu werden, daß ich indianisches Blut in mir trage, obwohl das viele Generationen zurückreicht. Auch die Llawcae haben es von unseren gemeinsamen Vorfahren mitbekommen, als die Kinder von Brandon Llawcae und Maddok vom Stamm des Windvolks miteinander die Ehe schlossen. Maddok wurde seiner blauen Augen wegen so benannt: nach Madoc aus Wales… Aber diese Geschichte kennt ihr ja.«
    »Zur Genüge«, stimmte Bran zu.
    »Ich mag sie.« Matthew trank den Wein in kleinen Schlucken.
    »Weil du romantisch veranlagt bist«, sagte Bran. »Heb sie dir für deine Schreibereien auf.«
    Herr Maddox beendete das Gespräch sehr steif und förmlich. »Wie deine Mutter bereits wiederholt erwähnt hat, sind schwarzes Haar und blaue Augen unter Menschen walisischer Abstammung weit häufiger anzutreffen als bei den Indianern. Und es steht wohl unzweifelhaft fest, daß wir Waliser sind. Und hart zu arbeiten wissen.« Er warf Bran einen vielsagenden Blick zu.
    Am selben Abend noch schob sich Matthew mit dem Rollstuhl in Brans Zimmer. Sein Zwillingsbruder stand am Fenster, hatte die Samtgardinen zur Seite gerafft und starrte über den Rasen hinweg zum Wald hinüber. Er wandte sich nur kurz nach Matthew um und knurrte: »Verschwinde!«
    »Nein, Bran. Nach meinem Unfall wollte auch ich dich fortschicken, und du ließest es nicht zu. Jetzt bleibe ich hartnäckig.« Er rollte näher an seinen Bruder heran. »Gwen hat sich in Jack O’Keefe verliebt.«
    »Kein Wunder. Jack ist ein hübscher und brutaler Kerl.«
    »Er ist nicht der richtige Mann für Gwen.«
    »Weil wir ihn bloß als Stallburschen angeheuert haben? Sei kein Snob.«
    »Nein,

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