Durch Zeit und Raum
anschließen. Was sagst du dazu? So werden alte Träume wahr!«
»Ich komme mit…«
»Mein lieber Zwilling! Du bleibst hier und machst dir mit deiner Feder einen Namen. Ich weiß, was Papa nicht begreifen kann: daß das Schreiben harte Arbeit ist. Aber nie wärest du wie ich den körperlichen Anstrengungen gewachsen, die das Leben eines Siedlers mit sich bringt.«
»Du hast recht«, räumte Matthew ein. »Ich würde dir nur zur Last fallen.«
»Ich werde dir immer nah bleiben«, versicherte ihm Bran. »Immer, selbst in Patagonien. Du kannst gewiß sein, daß ich alles mit dir teilen werde; und du wirst davon in deinen Geschichten so lebensgetreu erzählen können, als wärest du selbst an Ort und Stelle. Vetter Michael schreibt, daß die Kolonisten mit einigem Glück in einer Gegend Fuß gefaßt haben, die Vespugia heißt. Ich werde sie dir in den kleinsten Einzelheiten schildern, und die Menschen dazu; jeder von ihnen wird Stoff für deine Geschichten abgeben.«
»Hast du schon mit Zillah darüber gesprochen?«
Bran schüttelte den Kopf.
»Bran, du weißt, daß Zillah davon nicht weniger betroffen wird als du. Sie trägt deinen Ring.«
»Heute abend bei Tisch werde ich alles sagen. Und jetzt bitte ich Mama, auch die Llawcae einzuladen.«
Das Essen wurde im Speisezimmer aufgetragen, einem großen, dunklen, mit Eichenholz getäfelten Raum, der das Licht der Kerzen zu schlucken schien, die im Kristallüster brannten. Schwere braune Gardinen, wie jene in der Bibliothek, waren vor die Fenster gezogen, um die Nachtkälte abzuhalten. Das Feuer, das im Kamin flackerte, konnte den Raum nicht wärmen.
Das Tischgespräch drehte sich vor allem um die walisische Expedition nach Patagonien, und sowohl Herr Maddox wie Dr. Llawcae schwärmten lebhaft von diesem Ereignis.
»Welch ein Abenteuer!« sagte Gwen. »Warum machst du nicht dabei mit, Papa? Wäre ich ein Mann, ich würde es tun.«
Matthew und Bran blickten einander über den Tisch hinweg an, aber Bran schüttelte unmerklich den Kopf.
Als Frau Maddox nach dem Dessert ihren Stuhl zurückschob und Gwen und Zillah zunickte, ihr zu folgen, hielt Bran sie zurück. »Bitte warte noch einen Augenblick, Mama. Ich habe euch etwas mitzuteilen. Wir alle haben soeben mit großer Freude von der Expedition nach Patagonien und der Gründung einer Kolonie in Vespugia gesprochen. Und vor einigen Jahren, ehe Matt den Unfall hatte, träumten wir davon, uns dem Gutsherrn von Madrun anzuschließen, als er den Ort nach seiner Eignung für eine Ansiedlung erkundete. Es wird euch daher wohl kaum überraschen, daß ich mich entschlossen habe, den Kolonisten zu folgen und in Vespugia ein neues Leben zu beginnen. In diesem Sinne habe ich heute an Vetter Michael und Herrn Parry nach Wales geschrieben und auch in einem Brief nach Vespugia mein Kommen angekündigt.«
Für einen Augenblick herrschte tödliche Stille.
Dann sagte Bran lächelnd: »Dr. Llawcae sagte schon immer, daß ein wärmeres Klima mir guttun würde.«
Herr Maddox räusperte sich. »Ist es nicht immerhin etwas übertrieben, ausgerechnet nach Patagonien auszuwandern, nur, um in ein wärmeres Klima zu kommen?« fragte er. »Warum gehst du nicht in die Südstaaten, nach South Carolina oder nach Georgia?«
Brans Lippen zogen sich schmerzlich zusammen. »Papa! Hast du denn vergessen, woher ich erst vor kurzem gekommen bin, und was ich dort getan habe?«
»Nein, mein Sohn«, erwiderte Frau Maddox. »Das hat Vater gewiß nicht vergessen. Aber der Krieg ist vorbei, und auch du mußt ihn überwinden.«
»Im Süden? Ich glaube kaum, daß mich die Konföderierten mit ausgebreiteten Armen empfangen würden.«
»Aber Vespugia ist so – so weit weg…« Frau Maddox hatte Tränen in den Augen. Zillah war kreidebleich, aber unerschüttert. Sie kramte ein frisches Taschentuch aus ihrem Beutel und reichte es Frau Maddox. Die schneuzte sich und fuhr fort: »Willst du nicht lieber doch erst ganz zu Kräften kommen und dann mit Matthew Walisisch lernen und – und deinem Vater im Geschäft nachfolgen?«
Bran schüttelte den Kopf. »Mama, du weißt, daß ich für diesen Beruf nicht tauge. Und ich habe auch keine besondere Begabung, die sich hier bei uns nützen ließe, so wie Matthew sein schriftstellerisches Talent nützt. Ich bin davon überzeugt, daß ich mein Selbstvertrauen am ehesten in der Fremde wiederfinden werde. Und wie könnte ich besser Walisisch lernen als im täglichen Umgang mit Menschen, die nichts anderes
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