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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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herausfinden können?»
    Ich wunderte mich über diese Person. Warum beauftragt sie mich – dem sie von Anfang an ihre wahre Identität verschweigt – mit der Aufklärung des Falls, obwohl sie doch fürchten muss, ich käme früher oder später dahinter. Sie hätte es mir doch viel einfacher machen können, wenn sie mir die Wahrheit gesagt hätte. War sie wirklich so naiv zu glauben, ich könnte den Fall lösen, ohne auf ihre Lügen zu stossen?
    «Ich will es kurz machen, Frau Slavkovi ć , oder soll ich Sie bei Ihrem richtigen Namen nennen?»
    Sie war über meinen frostigen Ton nicht etwa erstaunt, im Gegenteil – sie lächelte.
    «Also, Frau Vukovi ć , ich weiss über alles Bescheid. Sie ahnten wohl, dass ich es irgendwann rausfinden würde. Nichts mit dem Dorf in der Nähe von Knin, nichts mit dem kleinen Lebensmittelladen, nichts mit der Flucht vor der kroatischen Offensive. Ihr Mann gehörte selber zu den Aggressoren dieses Kriegs. Was sag ich Aggressoren, diese Wort ist viel zu mild für das, was er getan hatte.»
    Mittlerweile grinste sie nicht mehr.
    «Wissen Sie was, es ist mir scheissegal, wer Ihren Mann getötet hat. Diese Person verdiente einen Orden, wenn Sie mich fragen, und es ist vielleicht der Ansatz einer ausgleichenden Gerechtigkeit in einer Welt, die Sachen wie Fo č a zulässt, dass der Mörder ihres Mannes straffrei ausgeht. Eines kann ich Ihnen versichern: Hätte ich nur die leiseste Ahnung von Ihrer Vergangenheit gehabt, ich hätte niemals für Sie gearbeitet.»
    Sie lächelte nachsichtig: «Das stimmt nicht ganz, wie Sie sich vielleicht erinnern. Sie haben mich doch nach dem militärischen Kommando gefragt, das mein Mann laut irgendwelchen Gerüchten innegehabt haben soll …»
    Ich wurde laut: «Jawohl, aber ich hab Ihnen geglaubt, als Sie das in Abrede stellten! Ich bin den Umgang mit Bestien nicht gewohnt, verstehen Sie?! Sie mögen mich für naiv halten, aber ich hab es nicht anders gelernt.»
    «Ich sehe, Sie sind im Bilde. Haben Sie denn auch herausgefunden, wer die Briefe geschrieben hat?»
    Ich sah sie verwirrt an. «Falls ich es wüsste, von mir würden Sies zuletzt erfahren …»
    Ihr Blick ruhte lange auf mir. Ich las daraus ein Bedauern, eine Traurigkeit, die ich mir nicht erklären konnte.
    «Wollen Sie sich nicht doch setzen?»
    Ich runzelte abweisend die Stirn.
    «Ich dachte, es wäre bequemer für Sie. Ich hab Ihnen nämlich einiges zu erklären … Bitte setzen Sie sich doch hin.» Da sie sah, dass ich schwankte, erhob sie sich. «Ich bring Ihnen noch ein Bier – Moment.»
    Sie nahm die leere Flasche, die ich auf den Glastisch gestellt hatte, und verschwand damit in der Küche. Ich blieb stehen. Kurz darauf kam sie mit einem frischen Bier und einem Aschenbecher zurück. Sie stellte beides auf den Tisch und setzte sich wieder hin.
    «Es würde mir leichter fallen, wenn Sie auch Platz nähmen. Aber machen Sie, wie es Ihnen beliebt …»
    Ich griff das Bier, löste den Drehverschluss und liess mich langsam aufs Sofa nieder.
    «Danke», sagte sie leise. Sie betrachtete lange ihre Hände, ohne ein Wort zu sprechen. Endlich, ich setzte gerade die Flasche an, sagte sie: «Ich weiss gar nicht recht, wo ich beginnen soll … Nur soviel, ich hab für Ihre Gefühle volles Verständnis. Sie werden noch begreifen, warum.»
    Sie strich sich die Haare, die ihr ins Gesicht gefallen waren, hinters linke Ohr. «Ich muss ein wenig ausholen, damit Sie mir glauben, wenn ich Ihnen nun sage, dass ich vom Unwesen meines Mannes in Fo č a keine Ahnung hatte. Bis zu dem Tag, als ich die Drohbriefe las, war ich überzeugt, er sei selber ein Opfer des Kriegs – so wie er es mir weisgemacht hatte.»
    Sie trank aus dem Plastikbecher. «Mein Mann und ich lebten schon seit Jahren getrennt, müssen Sie wissen. Nicht dass wir uns zerstritten hätten, neinnein. Wir waren einfach ein sehr ungleiches Paar. Die meiste Zeit über lebte jeder für sich allein. Ich, weil ich nicht aus Belgrad weg wollte, wo ich meine Familie und meine Arbeit hatte, und Radomir, weil er wiederum seine Existenzgrundlage in Fo č a hatte. Er machte dort irgendwas mit Gebrauchtwagen, die er aus der Schweiz einführte, wo Verwandte von ihm lebten.
    Wir waren nie besonders leidenschaftlich gewesen. Es bestand, wie soll ich sagen, ein Mentalitätsunterschied, der uns hinderte, näher zusammenzukommen. Radomir glaubte, das würde sich nach der Heirat ändern. Sehen Sie, ich bin ein Grossstadtmensch, in meiner Familie wimmelt es von

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