Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)
sie finden.
J ack hat das Tal gerade erst hinter sich gelassen, da zögert Atlas, wirft den Kopf hoch und wiehert. Vor ihnen ist etwas. Jack denkt nicht lange nach. Im Nu ist er vom Pfad herunter, im Kiefernwald und außer Sicht. In Deckung zwischen den Bäumen, die Hand auf dem Maul des Mustangs, beobachtet er, wie sie vorbeiziehen.
Es sind Tonton. Neun in lange schwarze Gewänder gekleidete Männer mit Pferden. Sie begleiten ein Pärchen in einem Büffelwagen. Der Befehlshaber reitet vor. Dahinter vier Männer, dann der Wagen, dann drei Berittene. Der letzte Mann, der neunte, fährt einen Wagen mit einem leeren Gefängniskäfig.
Er mustert sie gründlich. Er kennt die Tonton gut. Sie sind struppig und schmutzig und werden schnell gewalttätig. Ein loser Verband von skrupellosen Schlägern im Dunstkreis der Macht. Treu nur untereinander, gehorsam gegenüber einem Herrn nur, falls und wann es ihnen passt. Bis auf den letzten Mann von Eigennutz angetrieben. Diese hier sehen jedoch anders aus. Alles an ihnen ist sauber und ordentlich und auf Hochglanz poliert. Sie sind gut bewaffnet. Sie wirken diszipliniert. Zielstrebig.
Und das flößt ihm Unbehagen ein. Es bedeutet, der Feind spielt jetzt ein anderes Spiel.
Er sieht sich das Pärchen im Wagen an. Sie sind jung, stark, sehen gesund aus. Ein Junge und ein Mädchen, nicht älter als sechzehn oder siebzehn. Sie sitzen dicht nebeneinander auf dem Bock. Der Junge fährt. In einer Hand hält er die Zügel, den anderen Arm hat er dem Mädchen um die Taille gelegt. Doch zwischen ihren Körpern ist eine Lücke. Sie sitzen aufrecht und steif da. Sie fühlen sich nicht wohl, so viel ist sicher. Es sieht aus, als würden sie sich kaum kennen.
Sie starren mit erhobenem Kinn geradeaus. Sie sehen entschlossen aus. Sogar stolz. Eindeutig keine Gefangenen der Tonton.
Der Wagen ist ordentlich mit Möbeln, Bettzeug und Werkzeug beladen. Mit allem, was man braucht, wenn man einen Hausstand gründen will.
Als sie vorbeirattern, dreht das Mädchen abrupt den Kopf. Sie starrt in den Wald, beinahe als würde sie spüren, dass dort jemand ist. Es dämmert schon, und er weiß, er ist gut verborgen, aber er weicht trotzdem zurück. Sie sieht in seine Richtung, bis sie den Wald hinter sich gelassen haben. Niemand – nicht die Tonton, nicht der Junge neben ihr – scheint es zu bemerken.
Jack kann ihre Stirn gut sehen. Die des Jungen auch. Sie sind gebrandmarkt worden. Und zwar erst kürzlich. Der Kreis mit dem Kreuz darin, mitten auf der Stirn, sieht noch wund aus.
Sie fahren ins Tal. In Richtung der kleinen Farm. Mit einem leeren Gefangenenwagen.
Jetzt empfindet er nicht mehr bloß Unbehagen. Er ist besorgt.
Er macht kehrt und folgt ihnen. Er bleibt im Wald, das Pferd führt er.
Z wischen den Bäumen am oberen Ende des Tals hat er jetzt, während die Dunkelheit hereinbricht, ungehinderte Sicht auf die Farm, die er gerade erst verlassen hat. Die Tonton stürmen schon in die Hütte.
Er muss seine Füße davon abhalten, zu ihnen zu laufen. Seine Hand bremsen, die zum Bogen greifen will. Denn der Überlebenskünstler in ihm weiß, dass dies beschlossene Sache ist. Was hier auch gleich geschehen mag, er kann es nicht verhindern.
Aber er kann darüber berichten. Er wird darüber berichten. Mit geballten Fäusten und voller Wut beobachtet er, was im Tal geschieht.
Jetzt haben sie die Familie aus den Betten geholt. Den erschöpften Mann und die kranke Frau, ihre Kinder Nessa und Robbie. Haben sie mit vorgehaltenem Feuerstab aus der Hütte gescheucht. Im schwindenden Licht drängen sie sich zusammen, während der Befehlshaber der Tonton eine kurze Ansprache hält. Wahrscheinlich sagt er ihnen, was jetzt passiert und warum. Worte, um Menschen zu ängstigen und zu verwirren, die schon zu verängstigt und verwirrt sind, um richtig zuzuhören.
Jack fragt sich, warum der Mann sich die Mühe macht. Ist wohl so vorgeschrieben.
Das junge Paar mit den Brandmalen wartet im Wagen. Bereit, das neue Zuhause zu beziehen. Landraub. Ein Umsiedlungskommando. Darum geht es hier.
Von hier oben aus wirken alle klein. Wie Puppen. Er kann nicht verstehen, was gesprochen wird, nicht die Worte. Aber er hört die Bestürzung in den erhobenen Stimmen der Farmer. Das Mädchen, Nessa, fällt auf die Knie. Sie fleht sie an und hält dabei ihren Bruder fest an sich gedrückt. Einer nimmt ihr Robbie ab, während zwei andere sie an den Armen packen. Sie gehen auf den Gefängniswagen zu. Sie wehrt sich,
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