Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)
gelebt hat. Und weißt du, warum? Weil ich geglaubt hab, der Mann könnt es ernst meinen. Ike Twelvetrees und sesshaft werden? Da kann man genauso gut die Sonne bitten, sie soll nicht mehr scheinen.«
Jetzt. Sag’s ihr jetzt. »Molly, ich muss dir was –«
»Ach, genug von Ike. Wird schon auftauchen, wenn er seinen Mut wiedergefunden hat.« Sie stützt die Ellbogen auf die Theke. »Was ist denn das für ein armseliges Ding?« Sie schnippt ihm den Hut vom Kopf. »Schon besser. Verdammich, Jack, du bist ein fescher Teufel, kein Vertun. Du mit deinen Mondlichtaugen.«
»Hör mal, Molly, Ich … ähm …«
»Denkst du manchmal an sie?«, fragt Molly unvermittelt.
Er antwortet nicht. Er starrt in seinen Becher.
»Sie wär jetzt sechs«, sagt sie. »Ich weiß, es ist bescheuert, aber … ich stell mir gern vor, wie sie jetzt wär. Ihre Wesensart und so. Nach wem sie gekommen wär. Ich glaub, sie hätte deine Augen gehabt. Sie war schön, oder?«
»Ja«, sagt er. »Und wie.«
Er nimmt ihre Hand in seine Hände. Hält sie fest und küsst sie. Sie sehen sich in die Augen. Zwischen ihnen hängt drückend das, was war. Was niemals wirklich gewesen ist, aber sie immer verbinden wird.
»Jack?« Sie mustert ihn prüfend, suchend. Dann weicht sie ein Stück zurück und sieht ihn nochmals an, als wäre ihr plötzlich etwas an ihm aufgefallen. »Omeingott, Jack. Du hast mir was zu erzählen.«
Er atmet aus. »Ja. Ja, das hab ich. Die Sache ist die, Molly … ich, ähm –«
»Na, ich fress einen Besen!«, sagt sie. Langsam breitet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus.
Er runzelt die Stirn. »Molly?«
»Haha! Ich glaub’s nicht.« Sie schlägt mit der flachen Hand auf die Theke. »Verdammich und halleluja, Jack, wer ist sie?«
»Was? Wovon redest du?«
»Jetzt tu nicht so, ich kenn dich zu gut. Wer ist sie? Wer ist die Frau?« Mollys scharfe Augen erspähen das Lederband um seinen Hals. »Und was ist das?« Sie zieht den Herzstein aus seinem Hemd und betrachtet ihn. »Ein Herzstein«, sagt sie. Staunend sieht sie ihn an. »Sie hat dir einen Herzstein gegeben.«
»Vielleicht hab ich ihn ja gefunden«, sagt er.
»O nein. Ich seh sie in deinem Gesicht, Jack. Ich seh sie in deinen Augen.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagt er.
»Hey, ich bin’s, weißt du noch? Wir zwei machen uns nichts vor. Das haben wir hinter uns. Solang ich dich kenn, Jack, ist die Tür zu deinem Herzen abgeschlossen und der Schlüssel versteckt gewesen. Sieht aus, als hätt sie ihn gefunden.«
Er sagt nichts. Molly wartet. Dann: »Schlüssel sind nicht ihre Sache. Sie hat die Tür eingetreten.«
»Du liebst sie«, sagt Molly.
»Ach, das weiß ich nicht. Ich, ähm … hm. Das klingt zu sicher. Das hier ist nicht sicher.«
»Oh. So ist das also, wie?«
»Ich will das nicht, Molly. Ich … was das auch ist, ich hab nicht danach gesucht.«
»Musst du auch nicht«, sagt sie. »Wenn’s sein soll, findet’s dich. Wir machen uns vor, wir hätten unser Leben im Griff, aber das haben wir nicht. Nicht ganz. Solltest du mittlerweile wissen.«
»Einen größeren Dickkopf gibt’s nicht«, sagt er. »Und sie glaubt immer, sie weiß es besser, auch wenn sie keine Ahnung hat, dann sogar besonders. Sie ist hitzig und stur und alles, was ganz unten auf die Liste käm, falls man eine … so eine Liste machen würd. Was ich nicht getan hab. Überhaupt nicht.«
»Aber?«, fragt Molly.
»Aber … Molly, sie strahlt. Das Leben brennt so stark in ihr. Ich hab’s nie gemerkt, erst als ich sie getroffen hab. Mir ist mein ganzes Leben lang kalt gewesen, Moll.«
»Ich weiß«, sagt sie sanft.
»Es ist nur, dass … ach, verdammt. Sie hält mich für besser, als ich bin.«
»Tja, du bist besser, als du glaubst.«
»Sie ist zu jung«, sagt er. »Achtzehn.«
»Haarsträubend! Weil du ja schon so alt bist.«
»Alter hat nichts mit Jahren zu tun, und das weißt du. Jedenfalls, wenn einem jemand so wichtig wird … das ist gefährlich.«
»Wag ja nicht, davor zu fliehen, Jack, wag es ja nicht«, sagt Molly grimmig. »Die meisten Leute fühlen nie, was du jetzt fühlst. Sei bei ihr. Und wenn’s nur eine Stunde, eine Nacht, eine Woche, einen Monat dauert, das ist egal. Sei bei ihr, brenn mit ihr, leuchte mit ihr … so lange, wie euch gegeben ist. So. Sag mir ihren Namen. Sag ihn mir.«
Er atmet tief durch. »Saba. Sie heißt Saba.«
Molly legt eine Hand an sein Gesicht. »Ach, mein lieber Jack. Das … das hab ich dir gewünscht.
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